Der Hirsch
Ein einäugiger Hirsch weidete gewöhnlich auf Wiesen neben dem Meer,
und zwar so, daß er immer das gesunde Auge landwärts hielt und wähnte,
von der Seeseite her habe er keine Gefahr zu fürchten. Das Schicksal hatte
es anders beschlossen.
Eines Tages segelte ein Schiff bei ihm vorbei, und da sein gesundes Auge dem
Lande zugekehrt war, so bemerkte er es nicht und weidete nichts ahnend fort.
Kaum hatten die Schiffer aber die köstliche Beute erblickt, als sie auch
schon Pfeile nach ihm abschossen. Ein Pfeil traf ihn gerade ins Herz, und zusammenstürzend
rief er aus: "Wie sehr habe ich mich getäuscht, daß ich nur
vom Lande her Gefahr erwartete."
Nur zu oft weicht man vorsorglich einer Gefahr aus und gerät dabei unvorsichtig
in eine andere.
Der Hirsch und der Löwe
Ein Hirsch, von einem Jäger bemerkt, flüchtete, geriet aber dabei
in eine Höhle, in der zu seinem Unglück ein Löwe hauste. Diesem
kam er gerade recht. Ohne weitere Umstände erwürgte er den Hirsch.
"Oh!" rief dieser sterbend aus, "wie unglücklich sind wir,
während wir dem einen Feind zu entrinnen suchen, laufen wir dem andern
in die Arme."
In blinder Hast entgeht man oft einer Gefahr und kommt dabei in einer größeren
um. Man muß vorne und hinten Augen haben.