Der Hirt und der Wolf
Ein Hirte, der einen erst kurz geworfenen jungen Wolf gefunden hatte, nahm
ihn mit sich und zog ihn mit seinen Hunden auf. Als derselbe herangewachsen
war, verfolgte er, sooft ein Wolf ein Schaf raubte, diesen auch zugleich mit
den Hunden. Da aber die Hunde den Wolf zuweilen nicht einholen konnten und deshalb
wieder umkehrten, so verfolgte ihn jener allein und nahm, wenn er ihn erreicht
hatte, als Wolf ebenfalls teil an der Beute; hierauf kehrte er zurück.
Wenn jedoch kein fremder Wolf ein Schaf raubte, so brachte er selbst heimlich
eines um und verzehrte es gemeinschaftlich mit den Hunden, bis der Hirte, nach
langem Hin- und Herraten das Geschehene inneward, ihn an einen Baum aufhängte
und tötete.
Die Fabel lehrt, daß die schlimme Natur keine gute Gemütsart aufkommen
läßt.
Der Hund und das Schaf
Man sagt, daß zur Zeit, als die Tiere noch sprechen konnten, das Schaf zu seinem Herrn geredet habe: "Du tust sonderbar daran, daß du uns, die wir dir Wolle, Käse und Lämmer schenken, nichts gibst, als was wir uns auf der Erde selbst suchen, dem Hunde aber, der dir nichts dergleichen gewährt, von jeder Speise mitteilst, die du selbst hast." Als der Hund dies hörte, soll er gesagt haben: "Beim Jupiter, ich bin es ja, der dich und deine Gefährten bewacht, damit ihr nicht von Dieben gestohlen oder vom Wolfe zerrissen werdet. Denn ihr würdet, wenn ich euch nicht bewachte, nicht einmal in Ruhe weiden können." Hierauf soll es auch das Schaf recht und billig gefunden haben, daß der Hund ihm vorgezogen wurde.