Das Pferd und der Esel
Ein Bauer trieb ein Pferd und einen Esel, beide gleichmäßig beladen,
zu Markte. Als sie schon eine gute Strecke vorwärts gegangen waren, fühlte
der Esel seine Kräfte abnehmen. "Ach", bat er das Pferd kläglich:
"Du bist viel größer und stärker als ich, und doch hast
du nicht schwerer zu tragen, nimm mir einen Teil meiner Last ab, sonst erliege
ich."
Hartherzig schlug ihm das Pferd seine Bitte ab: "Ich habe selbst meinen
Teil, und daran genug zu tragen."
Keuchend schleppte sich der Esel weiter, bis er endlich erschöpft zusammenstürzte.
Vergeblich hieb der Herr auf ihn ein, er war tot. Es blieb nun nichts weiter
übrig, als die ganze Last des Esels dem Pferde aufzupacken, und um doch
etwas von dem Esel zu retten, zog ihm der Besitzer das Fell ab und legte auch
dieses noch dem Pferde oben auf.
Zu spät bereute dieses seine Hartherzigkeit. "Mit leichter Mühe",
so klagte es, "hätte ich dem Esel einen kleinen Teil seiner Last abnehmen
und ihn vom Tode retten können. jetzt muß ich seine ganze Last und
dazu noch seine Haut tragen."
Hilf zeitig, wo du helfen kannst. Hilf dem Nachbarn löschen, ehe das Feuer
auch dein Dach ergreift.
Das Rebhuhn und die Hühner
Ein Hühnerfreund kaufte ein Rebhuhn, um es in seinem Hof mit seinem andern
Geflügel laufen zu lassen, allein die Hühner bissen und trieben es
stets vom Fressen ab. Dies schmerzte das Tier sehr, denn es glaubte, es geschehe
ihm diese Zurücksetzung, weil es fremd sei; betrübt zog es sich in
einen Winkel zurück.
Bald aber tröstete es sich, als es sah, daß sich die Hühner
untereinander ebenso bissen und sprach zu sich: Wenn diese schlechten Tiere
Feindseligkeiten sogar gegen sich selbst ausüben, so werde ich wohl eine
solche Behandlung mit Gleichmut ertragen können.
Geiz und Mißgunst sind die größten Feinde des Friedens.