Rabe und Fuchs
Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen, flog damit auf einen Baum und wollte
dort seine Beute in Ruhe verzehren. Da es aber der Raben Art ist, beim Essen
nicht schweigen zu können, hörte ein vorbeikommender Fuchs den Raben
über dem Käse krächzen. Er lief eilig hinzu und begann den Raben
zu loben: »O Rabe, was bist du für ein wunderbarer Vogel! Wenn dein
Gesang ebenso schön ist wie dein Gefieder, dann sollte man dich zum König
aller Vögel krönen!«
Dem Raben taten diese Schmeicheleien so wohl, daß er seinen Schnabel weit
aufsperrte, um dem Fuchs etwas vorzusingen. Dabei entfiel ihm der Käse.
Den nahm der Fuchs behend, fraß ihn und lachte über den törichten
Raben.
Vom Fuchs und Hahn
Ein hungriger Fuchs kam einstmals in ein Dorf und fand einen Hahn; zu dem sprach
er also: »O mein Herr Hahn, welche schöne Stimme hat dein Herr Vater
gehabt! Ich bin darum zu dir hierher gekommen, daß ich deine Stimme hören
möchte. Darum bitt ich dich, daß du mir singst mit lauter Stimme,
damit ich hören möge, ob du eine schönere Stimme habest oder
dein Vater.«
Da erschwang der Hahn sein Gefieder, und mit geschlossenen Augen fing er an,
auf das lauteste zu krähen. Indem sprang der Fuchs auf und fing ihn und
trug ihn in den Wald. Als das die Bauern gewahr wurden, liefen sie dem Fuchs
nach und schrien: »Der Fuchs trägt unsern Hahn fort!« Als der
Hahn das hörte, sprach er zu dem Fuchs: »Hörst du, Herr Fuchs,
was die groben Bauern sagen? Sprich du zu ihnen: 'Ich trage meinen Hahn und
nicht den euern'.«
Da ließ der Fuchs den Hahn aus dem Maule und sprach: »Ich trage
meinen Hahn und nicht den euern.« Indem flog der Hahn auf einen Baum und
sprach: »Du lügst, Herr Fuchs, du lügst, ich bin des Bauern,
nicht dein.«
Da schlug der Fuchs sich selbst mit den Händen aufs Maul und sprach: »O
du böses Maul, wieviel schwätzest du? Wieviel redest du Unnützes?
Hättest du jetzt nicht geredet, so hättest du deinen Raub nicht verloren.«