Zwei Freunde und ein Bär
Zwei Freunde gelobten sich gegenseitig, sich in allen Fällen treu beizustehen
und Freud und Leid miteinander zu teilen. So traten sie ihre Wanderschaft an.
Unvermutet kam ihnen auf einem engen Waldwege ein Bär entgegen. Vereint
hätten sie ihn vielleicht bezwungen. Da aber dem einen sein Leben zu lieb
war, verließ er, ebenso bald vergessend, was er kurz vorher versprochen
hatte, seinen Freund und kletterte auf einen Baum. Als sich der andere nun verlassen
sah, hatte er kaum noch Zeit, sich platt auf den Boden zu werfen und sich tot
zu stellen, weil er gehört hatte, daß der Bär keine Toten verzehre.
Der Bär kam nun herbei, beleckte dem Daliegenden die Ohren, warf ihn mit
der Schnauze einige Male herum und trabte dann davon, weil er ihn für tot
hielt.
Sobald die Gefahr vorüber war, stieg jener vom Baume herab und fragte seinen
Gefährten voll Neugierde, was ihm der Bär zugeflüstert habe?
"Eine vortreffliche Warnung", antwortete dieser, "nur schade,
daß ich sie nicht früher gewußt habe."
Man solle sich nicht mit Menschen einlassen, die ihre Freunde in der Not verlassen.
Zwei Krebse
"Geh doch gerade und vorwärts!" rief einem jungen Krebs seine
Mutter zu.
"Von Herzen gerne, liebe Mutter", antwortete dieser, "nur möchte
ich es dich ebenso machen sehen."
Jedoch vergeblich war der Mutter Anstrengung und sichtbar ihre Klügelei
und Tadelsucht.
Gib keine Befehle, die man nicht vollbringen kann, und tadle an andern keine
Fehler, die du selbst begehst!