Der Esel und das Pferd
Ein Esel, der nach der größten Anstrengung nicht einmal Streu genug
erhielt, um seinen Hunger zu stillen, und unter seiner schweren Bürde kaum
noch fortkriechen konnte, hielt ein schönes, prächtig geschmücktes
Pferd für glücklich, weil es so gut und im Überfluß gefüttert
würde. Ach, wie sehr wünschte er mit diesem Tiere tauschen zu können.
Allein nach einigen Monaten erblickte er dasselbe Pferd lahm und abgezehrt an
einem Karren. "Ist dies Zauberei?" fragte er. "Beinahe",
antwortete traurig das Pferd; "eine Kugel traf mich, mein Herr stürzte
mit mir und verkaufte mich zum Dank um ein Spottgeld; lahm und kraftlos, wie
ich jetzt bin, wirst du gewiß nicht mehr mich beneiden und mit mir tauschen
wollen."
Wie oft das größte Glück Zerstört ein Augenblick!
Der Esel und der Fuchs
Ein Esel und ein Fuchs lebten lange freundschaftlich zusammen und gingen auch
miteinander auf die Jagd. Auf einem ihrer Streifzüge kam ihnen ein Löwe
so plötzlich in den Weg, daß der Fuchs fürchtete, er könne
nicht mehr entfliehen. Da nahm er zu einer List seine Zuflucht. Mit erkünstelter
Freundlichkeit sprach er zum Löwen:
"Ich fürchte nichts von dir, großmütiger König! Kann
ich dir aber mit dem Fleische meines dummen Gefährten dienen, so darfst
du nur befehlen."
Der Löwe versprach ihm Schonung, und der Fuchs führte den Esel in
eine Grube, in der er sich fing.
Brüllend eilte nun der Löwe auf den Fuchs zu und ergriff ihn mit den
Worten: "Der Esel ist mir gewiß, aber dich zerreiße ich wegen
deiner Falschheit zuerst."
Den Verrat benutzt man wohl, aber den Verräter liebt man doch nicht.