Adalbert Stifter

*23. Oktober 1805 Oberplan im Böhmerwald (heute: Horm-Planá, Tschechien)
+28. Januar 1868 Linz (Selbstmord während eines Schmerzanfalls) begraben: Linz, Friedhof St. Barbara
Epiker, Pädagoge, "begeisterter Landschaftsmaler" (mehr als 160 Zeichnungen, Aquarelle u. Ölbilder).
Sohn des Leinenwebers und Garnhändlers Johann Stifter und seiner Frau Magdalena, geb. Friepeß; vier Brüder, eine Schwester; nach dem frühen Tod des Vaters hartes und entbehrungsreiches Leben; bestimmender Einfluss der Großeltern.
Liberale Grundhaltung, begeistert sich zunächst für die 1848er Revolution; dann aber Absage an revolutionäre Entwicklungen.
Entschlusslosigkeit, Lebensflucht in jungen, Krankheit, Depressionen, Hypochondrie in alten Jahren.
1837 - Heirat mit Amalie Mohaupt (1811-1883), Tochter eines pensionierten Leutnants. Ehe bleibt kinderlos.
Von Jean Paul und von den ethischen und ästhetischen Idealen der deutschen Klassik beeinflusst. Ästhetisches Programm des "sanften Gesetzes" der äußeren und der menschlichen Natur (Vorrede zu den Bunten Steinen, 1853): im Kleinen, Unscheinbaren und Stillen liegt das wahrhaft Edle und Große.
Polemische Kritik Hebbels am "überschätzten Diminutiv-Talent" (1858); Wiederentdeckung im 20. Jh., veranlasst durch Nietzsche (Nachsommer als eines der wenigen Bücher, die es verdienten, "wieder und wieder gelesen zu werden", 1879). Thomas Mann: "Stifter ist einer der merkwürdigsten, heimlich kühnsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur".
wichtige Lebensdaten: <http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/%7Eza874/homepage/>
1817 -Der Vater wird von einem umstürzenden Flachswagen erschlagen.
1818 - Eintritt in die Lateinschule der Benediktiner von Kremsmünster; glücklichste Zeit seines Lebens; Interesse für Malerei, Dichtkunst, Musik; humanistische Bildung
1820 - neue Ehe der Mutter
1825 - St. erkrankt an Blattern
1826-30 - nicht-abgeschlossenes Jura-Studium in Wien
1827 - Hauslehrer in Wiener Adels- und Patrizierhäusern; in den Ferien lernt St. die Schwester eines Freundes kennen, Tochter eines reichen Leinwandhändlers, Fanny Greipl.
1929 - Liebe zu Fanny; mit ihr und ihrem Bruder Reise nach Bad Hall und Berchtesgaden
1833 - St., der sich um eine Stelle in Prag beworben hat, vergisst den Termin der mündlichen Prüfung; ob dieser "leichtsinnigen Lebensauffassung" kommt es zum Bruch mit dem Hause Greipl. Schwere Krise.
1834 - Bekanntschaft mit der Putzmacherin Amalie Mohaupt; St. verspricht ihr die Ehe.
1835 - erneutes (erfolgloses) Werben um Fanny
1836 - Fanny heiratet den Kameralsekretär Fleischanderl
1837 - Heirat mit Amalie, deren ganze Mitgift aus zwei Heiligenbildern besteht; perfekte Hausfrau; gutes, friedliches Zusammenleben in kleinbürgerlicher Häuslichkeit
1839 - Fanny stirbt im Kindbett
1840 - Durchbruch als Dichter
1841 - Begegnung mit dem Verleger Gustav Heckenast; Beiträge für das Sammelwerk Wien und die Wiener; Stifters materielle Lage bessert sich; das gebildete Wien beginnt sich für ihn zu interessieren.
1842 - Verkehr in den Wiener Salons; Bekanntschaft mit Geistesgrößen (u.a. Anastasius Grün, Lenau, Grillparzer)
1843-46 - St. als Pädagoge gefragt: Vorleser im Haus der Fürstin Schwarzenberg; Hauslehrer beim Fürsten Metternich: unterrichtet den ältesten Sohn des Staatskanzlers in Mathematik und Physik. Immer in Geldnot.
1844/45 - Reisen ins Salzkammergut und zur Mutter
1846 - Probevortrag an der Universität wird abfällig beurteilt. Kritiker treten auf den Plan (vor allem Friedrich Hebbel, der seit 1845 in Wien lebt).
1847 - vier Monate Linz; Begegnungen mit Meyerbeer, Robert und Clara Schumann, Eichendorff und der "schwedischen Nachtigall" Jenny Lind; St. nimmt die sechsjährige Nichte seiner Gattin, Juliana Mohaupt, in sein Haus, um seinen kranken Schwager zu entlasten.
1848 - Revolutionsjahr; als "Mann des Maßes und der Freiheit" weicht St. aus dem unruhigen Wien nach Linz aus.
1849-50 - redaktionelle Leitung der Linzer Zeitung und des Wiener Boten
1850 - Ernennung zum Inspektor der oberösterreichischen Volksschulen; Übersiedlung nach Linz.
1852 - Inspektor der Linzer Ober-Realschule
1853 - Ernennung zum Landeskonservator der Kunstschätze Oberösterreichs; stellvertretender Vorsitzender des Linzer Kunstvereins
1854 - schwerer und unbefriedigender Alltag der Schulverwaltung: Kränkungen im Amt: Ein von St. mitverfasstes Lesebuch zur Förderung humaner Bildung in Realschulen wird vom neuen Unterrichtsminister nicht genehmigt; Stifters Eingaben und Vorschläge bleiben unberücksichtigt.
1856 - Entzug der Inspektion der Linzer Realschule.
1857 - mit Frau und Juliana Reise nach Italien; Geld und Zeit reichen nur bis Triest.
1858 - Tod der Mutter und zweier Nichten.
1859 - Selbstmord der geliebten Stieftochter Juliana, die sich in der Donau ertränkt.
1860 - Aufenthalt in Wien, Reise nach München
1863 - Erkrankung; Symptome einer Leberzirrhose, die sich rasch verschlimmert.
1864 - Erholung in Lakerhäuser im Böhmerwald.
1865 - immer wieder Depressionen; 1. Karlsbader Reise; Rückreise über Prag, Nürnberg, Regensburg; Aufenthalt in Lakerhäuser und Kirchschlag; Versetzung in den Ruhestand mit vollem Gehalt und Ernennung zum Hofrat.
1866 - 2. Karlsbader Reise; Lakerhäuser und Kirchschlag; Angst-Anfälle (Furcht vor der Cholera); Bedrückung durch die Niederlage bei Königgrätz.
1867 - 3. Karlsbader Reise; Kirchschlag; Besuch in Oberplan; schwere Grippe.
1868 - Sorgen, Einsamkeit, Krankheit, Schmerzen: In der Nacht vom 25. auf den 26.1. bringt St. sich auf dem Krankenbett mit einem Rasiermesser einen tiefen Schnitt in den Hals bei; zwei Tage später stirbt er.
Werke: (e: entstanden)
Romane
1857 - Der Nachsommer. Eine Erzählung (Bildungsroman, 3 Bde.)
1865/66/67 - Witiko. Eine Erzählung (hist. Roman, 5 Bde.)
Erzählungen/Novellen
1840 - Der Condor / Das Haidedorf
1841 - Feldblumen
1841/42 - Die Mappe meines Urgroßvaters (1. Fass. = "Urmappe")
1842 - Der Hochwald
1843 - Abdias / Die Narrenburg / Wirkungen eines weißen Mantels
1844 - Brigitta / Die drei Schmiede ihres Schicksals / Das alte Siegel
1845 - Der Hagestolz / Der Waldsteig / Der Heilige Abend
1846 - Die Schwestern / Der beschriebene Tännling
1847 - Der Waldgänger
1848 - Prokopus / Der arme Wohltäter
1849 - Die Pechbrenner
1852 - Der Pförtner im Herrenhause
1864 - Nachkommenschaften
1866 - Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze
1867 - Aus dem bayrischen Walde
1869 - Der fromme Spruch
Novellensammlungen
1844 Studien I: Der Condor (1840) / Feldblumen (1841) / Das Haidedorf (1840)
Studien II: Der Hochwald (1842) / Die Narrenburg (1843)
1847 Studien III: Die Mappe meines Urgroßvaters (2. Fass., "Studienmappe")
Studien IV: Abdias (1843) / Das alte Siegel (1844) / Brigitta (1844)
1850 Studien V: Der Hagestolz (1845) / Der Waldsteig (1845)
Studien VI: Zwei Schwestern (= Die Schwestern, 1846) / Der beschriebene Tännling (1846)
1853 Bunte Steine. Ein Festgeschenk / Granit (= Die Pechbrenner, 1849) / Kalkstein (= Der arme Wohltäter, 1848) / Turmalin (= Der Pförtner im Herrenhause, 1852; umgearb.) / Bergkristall (= Der Heilige Abend, 1845) / Katzensilber / Bergmilch (= Wirkungen eines weißen Mantels, 1843)
Schriften
1847 - Studien- und Literaturbriefe aus Wien
1848 - Über Stand und Würde des Schriftstellers
Gesamtausgaben
1901ff. / 1927ff. / 1979 - Sämtliche Werke, hg. v. August Sauer u.a., Prag/Reichenberg /Hildesheim (25 Bde.)
1978ff. - Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe, hg. v. Alfred Doppler u. Wolfgang Frühwald, Stuttgart u.a.