Bertolt (Bert) Brecht
eigentl. Berthold Eugen Friedrich Brecht


*10. Februar 1898 Augsburg

+14. August 1956 Berlin (Herzinfarkt) begraben: Berlin, Dorotheenstädtischer Friedhof
Sohn des kaufmännischen Angestellten, späteren Prokuristen und Direktors der Haindl´schen Papierfabrik Berthold Friedrich Brecht (1869-1939) und seiner Frau Sophie geb. Brezing (1871-1920).
1919 Geburt des Sohnes Frank (von Paula "Bi" Banholzer; gefallen 1943 in Russland)
1922 Heirat mit Marianne Zoff (Opernsängerin; 1927 Scheidung); Tochter: Hanne Marianne (Hiob) (*1923)
1929 Heirat mit Helene Weigel (Sohn Stefan, *1924, Tochter Barbara, *1930)
Antibürger, ab 1926 überzeugter Marxist, umstrittener und unbequemer moderner Klassiker; einer der einflussreichsten Dramatiker und Lyriker des 20. Jhs. Lange Jahre meistgespielter Autor auf deutschen Bühnen. Das Thema seiner Stücke ist die Kritik an der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Die politische Haltung seiner letzten Lebensjahre - vor allem hinsichtlich seines Verhältnisses zu den DDR-Machthabern - ist umstritten: B. entscheidet sich nach dem Krieg für die DDR, ist überzeugt, dass nur ein sozialistisches Deutschland Zukunft haben könne.
Kritische Stimmen weisen auf sein wirklichkeitsfremdes, die Welt stark vereinfachendes Denken, auf seine allzu rationalistische Geisteshaltung hin; Max Frisch spricht von der "durchschlagenden Wirkungslosigkeit" des "Klassikers Brecht".
Begründer des "epischen Theaters": B. stellt der "klassischen" ("aristotelischen") Form des Theaters die "epische" ("nicht-aristotelische") gegenüber; sein pädagogisches Theater will den Eindruck von der "Wirklichkeit des Spiels" zerstören (Verwendung desillusionierender Mittel, sog. "Verfremdungseffekte": rampenlose Bühne, Zwischentexte, Songs, kommentierende Sprecher, Plakate etc.), um so ein komplexes Weltbild darstellen und mit Hilfe von Kommentaren die Richtung des zu Lehrenden angeben zu können. Die "neue Bühne" hat so den Illusionscharakter des bürgerlichen Theaters abgeschafft, will den Zuschauer vom kulinarischen Genießer zum Betrachter machen, seine intellektuelle und moralische Entscheidung erzwingen.
Auszeichnungen:
1922 Kleist-Preis für Trommeln in der Nacht
1951 Nationalpreis 1. Klasse der DDR
1954 Internationaler Stalin-Friedenspreis
wichtige Lebensdaten:
1904-08 Volksschule
1908 Städtisches Realgymnasium Augsburg
1917 Notabitur; Kriegsdiensthelfer (Schreibstube); Okt.: Immatrikulation an der Universität München (Medizin, Philosophie)
1918 Kriegsdienst in einem Augsburger Seuchenlazarett
1919 Nov.: Exmatrikulation. Aufenthalte in Berlin, um sich als Autor durchzusetzen
1922 erste Begegnung mit Helene Weigel
1923 Dramaturg an den Münchener Kammerspielen
1924 Nov.: endgültige Übersiedlung nach Berlin; zusammen mit Carl Zuckmayer als Dramaturg an Max Reinhardts Deutschem Theater (bis 1926); erste Begegnung mit Elisabeth Hauptmann; gründliche Marx-Studien
1926 erste Konzeption des "epischen Theaters"
1930 Mai: zur Erholung in Le Lavandou, Provence; anschließend in Münchener Sanatorium
1931 Begegnung mit Walter Benjamin in Le Lavandou
1932 Beginn der Freundschaft mit Margarete Steffin
1933 Aufführung der Maßnahme in Erfurt wird von der Polizei abgebrochen; Verfahren wegen Hochverrats gegen die Veranstalter; 28. Februar: am Tag nach dem Reichstagsbrand Flucht aus Deutschland über Prag, Wien nach Zürich. April - Sept.: in Carona/Tessin; Mai: öffentliche Verbrennung der Bücher Brechts durch die Nazis; Paris; Übersiedlung nach Skovbostrand bei Svendborg auf der dänischen Insel Fünen
1935 Reise nach Moskau. Juni: offizielle Ausbürgerung durch die Nationalsozialisten; Reisen nach Paris und New York
1936 Redaktion der Monatsschrift Das Wort (Moskau) zusammen mit Feuchtwanger und Bredel
1938 Expressionismus-Realismus-Debatte (Auseinandersetzung mit Lukács).
1939 Mai: Übersiedlung auf die Insel Linigö bei Stockholm.
1940 - nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Dänemark und Norwegen Flucht nach Helsinki
1941 - Mai: im Sibirienexpress über Moskau (Tod Margarete Steffins) nach Wladiwostok; Juni: San Pedro/Kalifornien; Haus in Santa Monica
1947 - Okt.: Verhör wegen "unamerikanischen Verhaltens" in Washington; danach Abflug über Paris nach Zürich
1948 Haus am Züriberg am Zürcher See; Einreisegenehmigung nach Westdeutschland wird von den alliierten Behörden versagt; mit tschechischem Pass über Prag nach Ostberlin. Haus in Weißensee; Generalintendant des Deutschen Theaters
1949 zusammen mit Helene Weigel Gründung des Berliner Ensembles
1950 österreichische Staatsbürgerschaft; Haus in Buckow
1953 Wahl zum Präsidenten des PEN-Zentrums (Ost und West); zum Aufstand am 17. Juni Brief an Ulbricht, von dem nur der letzte Satz veröffentlicht wird; Rechtfertigund des Eingreifens der Staatsmacht. Herbst: Umzug in das Hinterhaus Chausseestr. 125
1955 Kauf eines Hauses in Dänemark
1956 Mai: in der Charité infolge einer Grippe-Erkrankung; 10. August: letzte Theaterprobe für die Galilei-Aufführung des Berliner Ensembles
Werke: (e = entstanden; a = uraufgeführt in; F = Fassung)
Dramen
1914 (1913 e) Die Bibel. Drama in 1 Act (u.d. Pseudonym Bertold Eugen)
1922 (3 F. 1918, 1919, 1926; 1923 a Leipzig)Baal (3. F. u.d.T.: Lebenslauf des Mannes Baal)
1922 (1919 e; 1922 a München) Trommeln in der Nacht. Komödie
1961 (1919 e; 1926 a Frankfurt) Die Kleinbürgerhochzeit (Einakter; urspr. Titel: Die Hochzeit)
1965 (1919 e; 1967 a Berlin) Der Bettler oder Der tote Hund (Einakter)
1966 (1919 e; 1975 a Basel) Er treibt einen Teufel aus (Einakter)
1966 (1919 e; 1969 a Essen) Lux in Tenebris (Einakter)
1966 (1919 e; 1967 a Heidelberg)Der Fischzug (Einakter)
1927 (1. F. 1921-22 e; 1923 a München; 2. F. 1926 e; 1927 a Darmstadt)Im Dickicht der Städte. Der Kampf zweier Männer in der Riesenstadt Chicago. Schauspiel (usrpr. T. Im Dickicht)
1924 (1923-24 e; 1924 a München)Leben Eduards des Zweiten von England. Historie (nach Marlowe; zus. mit Lion Feuchtwanger)
1926 (1924-26 e; 1926 a Darmstadt; 2. F. 1931 a Berlin) Mann ist Mann. Lustspiel
1928/29 (a Berlin) Die Dreigroschenoper (Musik: Kurt Weill; nach John Gay´s The Beggar´s Opera, 1728)
1929 (1930 a Leipzig) Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Oper (Musik: Kurt Weill)
1929(1928-29 e; 1929 a Baden-Baden)Der Flug der Lindberghs. Ein Radiolehrstück für Knaben und Mädchen (2. F. 1930; urspr. T.: Lindbergh; a u.d.T. Der Lindberghflug; 1950 u.d.T. Der Ozeanflug) (Musik: Kurt Weill)
1929 (a Baden-Baden) Das Badener Lehrstück vom Einverständnis (2. F. 1930; urspr. T.: Lehrstück) (Musik: Paul Hindemith)
1930/31 (1929-31 e; 1. F. Der Jasager 1930 a Berlin; 1951 a New York)Der Jasager und Der Neinsager. Schulopern (Musik: Kurt Weill)
1930 (2. F.: 1931) (1930 a Berlin)Die Maßnahme. Lehrstück (Musik: Hanns Eisler)
1931 (1929-31 e; 1959 a Hamburg; Hörspielf. 1932 a Radio Berlin)Die heilige Johanna der Schlachthöfe
1937 (1930-32 e; 1938 a Givat Chaim/Palästina in hebr. Spr.)Die Ausnahme und die Regel. Lehrstück
1933 (2. F.: 1938; (1931 e; 1932 a Berlin)Die Mutter. Nach Gorki. Schauspiel
1933 e (a Paris) Die sieben Todsünden der Kleinbürger. Ballett (Musik: Kurt Weill)
1936 (1931-34 e; 1936 a Kopenhagen)Die Rundköpfe und die Spitzköpfe oder Reich und Reich gesellt sich gern. Ein Greuelmärchen
1936 (1934-35 e; 1958 a Halle) Die Horatier und die Kuratier. Schulstück
1945 (1941 [13 Sz.];1944 [17.Sz.]) (1937-38 e; 1938 a Paris [8 Sz.]; 1945 a New York; 1947 a Berlin [7 Sz.])Furcht und Elend des Dritten Reiches. 24 Szenen (a u.d.T. 99%)
1937 (1937 a Paris) Die Gewehre der Frau Carrar
1948 (dän. F. 1938-39 e; 1943 a Zürich; amerik. F. 1944-47; 1947 a Beverly Hills; 1955 Berliner F. ab 1947 e; 1955 a Köln)Leben des Galilei. Schauspiel (a u.d.T. Galileo Galilei)
1949 (1939 e; 1941 a Zürich) Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg
1940 (1939 e; 1940 a Radio Beromünster; 1951 a Berlin) Das Verhör des Lukullus. Radiostück (1951, 1950 e Das Verhör des Lukullus. Oper in 12 Bildern; Musik: Paul Dessau; a u.d.T. Die Verurteilung des Lukullus)
1966 (1939 e; 1967 a Köln) Dansen. Einakter (a u.d.T. Dansen I)
1966 (1939 e; a Tollare b. Stockholm)Was kostet das Eisen? Einakter (u.d.Ps. John Kent; urspr. T.: Kleine Geschäfte mit Eisen)
1953 (1939-41 e; 1943 a Zürich)Der gute Mensch von Sezuan. Parabelstück
1950 (1940 e; 1948 a Zürich) Herr Puntila und sein Knecht Matti. Volksstück
1957 (1941 e; 1958 a Stuttgart) Der aufhaltsame Aufsteig des Arturo Ui. Parabelstück
1956 (1941-43 e; 1957 a Frankfurt/M.)Die Gesichte der Simone Machard (zus. m. Lion Feuchtwanger)
1959 (1943 e; 1957 a Warschau)Schweyk im Zweiten Weltkrieg
1949 (1943-45 e; 1948 a Northfield/ Minnesota [engl.]; dt. 1954 Berlin) Der kaukasische Kreidekreis
1949 (a 1956 Berlin) Die Tage der Commune
1967 (1930-1954 e; 1969 a Zürich)Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher
Bearbeitungen
1948 a Chur Die Antigone des Sophokles. Nach der Hölderlinschen Übertragung für die Bühne bearbeitet
1950 e Der Hofmeister (J. M. R. Lenz)
1951-52 e Coriolan (W. Shakespeare)
1952 e Der Prozeß der Jeanne d´Arc zu Rouen 1431 (Anna Seghers)
1953 e Don Juan (Molière)
1954 e Pauken und Trompeten (George Farquhar, The Recruiting Officer)
Fragmente
1922 Hannibal
1924 Gösta Berling
1927-30 e Untergang des Egoisten Johann Fatzer
1929-30 e (1967 a Berlin) Der Brotladen
1929-30 e Aus Nichts wird Nichts
1935-36 e Das wirkliche Leben des Jakob Geherda (zus. m. Margarete Steffin)
1958 (1940-41 e) Leben des Konfutse
1963 (1950 e) Salzburger Totentanz
Sammelausgaben zu Lebzeiten
1930-33 Versuche 1-16. H. 1-7 (Kiepenheuer)
1938 Gesammelte Werke. 2 Bde. (London, Malik) [Auswahl der Stücke]
1949-57 / 1951-57 Versuche 19-27; 29; 31-32; 35; 37. H. 9-15 (Suhrkamp) (Parallelausgabe Aufbau)
1953 Versuche. Sonderheft (Aufbau)
1953-67 / 1955-67 Stücke. 14 Bde. (Suhrkamp) (Parallelausgabe Aufbau)
Gedichtbände
1927 (1926; 1913-26 e) Bertolt Brechts Hauspostille (1926: Taschenpostille; 1951 Hauspostille) (Slg.; u.a. Von des Cortez Leuten, 1919 e; Erinnerung an die Marie A., 1920 e; Vom armen B. B., 1922 e)
1934 (1926-33 e) Lieder, Gedichte, Chöre
1939 (1933-38 e) Svendborger Gedichte (u.a. Fragen eines lesenden Arbeiters, 1935 e; Legende von der Entstehung des Buches Taoteking..., 1938 e; An die Nachgeborenen, 1938 e)
1943 Gedichte im Exil
1951 (1918-50 e) Hundert Gedichte
1954 (1953 e) Buckower Elegien (u.a. Der Radwechsel; Der Rauch; Beim Lesen des Horaz)
1955 Die Kriegsfibel
1956 Gedichte und Lieder
Erzählungen - sonstige Prosa (Auswahl)
1924 Der Tod des Cesare Malatesta
1926 Der Lebenslauf des Boxers Samson-Körner
1928 Die Bestie
1937 (1935 e) Der Soldat von La Ciotat
1949 (1939 e) Das Experiment (urspr. T. Der Stalljunge) Der verwundete Sokrates
1939 Der Mantel des Ketzers (u.d.T. Der Mantel des Nolaners)
1949 (1939 e) Die unwürdige Greisin
1962 (1939 e) Die Trophäen des Lukullus
1949 (1940 e) Der Augsburger Kreidekreis
1961 (1940-44 e) Flüchtlingsgespräche
1949 (1942 e) Cäsar und sein Legionär
1949 (1946 e) Die zwei Söhne
1948 e Eulenspiegel-Geschichten
1949 Kalendergeschichten (8 Erz. + 8 Ged. [u.a. Kinderkreuzzug, 1941 e] + 39 Geschichten vom Herrn Keuner)
1930 /32/53/49/57/ 62/65 Geschichten vom Herrn Keuner
ab 1934 e Me-ti/Buch der Wendungen
Romane
1934 (1933-34 e) Dreigroschenroman
1967 (1933-42 e) Der Tui-Roman (Frgm.)
1957 (1938-42 e) Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar (Frgm.)
Schriften zum Theater (Auswahl)
1939-40 e Der Messingkauf ("Gespräch über eine neue Art Theater zu spielen")
1949 (1948 e) Kleines Organon für das Theater
1953 e "Katzgraben"-Notate (Probennotate zur Inszenierung der Strittmatter-Komödie)
1951-56 e Die Dialektik auf dem Theater (Aufsätze und Notizen)