Der Fuchs und der Wolf am Brunnen
Es war eine klare Vollmondnacht. Ein Fuchs strolchte durchs Dorf und kam zu
einem Ziehbrunnen. Als er hinunterblickte, traute er seinen Augen nicht; da
lag ein großer, runder goldgelber Käse. Er kniff die Augen zu und
öffnete sie wieder. Nein, es war kein Traum.
Der Fuchs besann sich nicht lange, sprang in den Eimer, der über dem Brunnenrand
schwebte, und abwärts ging die Fahrt. Ein zweiter Eimer schaukelte aus
der Tiefe empor, an ihm vorbei.
Unten angekommen, wollte der hungrige Fuchs sich sofort auf den fetten Käse
stürzen. Aber was war denn das? Seine Nase stieß in eiskaltes Wasser,
der Käse verformte sich und verschwand.
Verblüfft starrte der Fuchs ins Dunkel, und langsam kehrte der Käse
unversehrt zurück. jetzt begriff er seinen Irrtum. Wie konnte er nur so
schwachköpfig handeln! Nun saß er in der Patsche.
Er schaute zum Brunnen hinauf. Niemand war da, der ihn aus dem Schlamassel befreien
konnte. Nur der Vollmond lächelte ihm hell und freundlich zu.
Viele Stunden saß der Fuchs in dem kühlen, feuchten Eimer gefangen
und schlotterte vor Kälte und Hunger. Da kam ein Wolf an dem Brunnen vorbei.
Der Fuchs dachte: "Warum sollte dieser Nimmersatt klüger sein als
ich?" Und mit fröhlicher Stimme rief er ihm zu: "Schau, mein
Freund, welch herrlichen Käseschmaus ich gefunden habe. Wenn du mein Versteck
nicht verrätst, so darfst du zu mir herunterkommen und dir auch ein gutes
Stück von meinem Käse abbrechen. Den Eimer dort oben habe ich für
dich bereitgehalten, mit ihm kannst du zu mir herunterfahren."
Der Wolf, der nie über Mangel an Hunger klagen konnte, leckte sich die
Lippen, und seine Augen traten hervor; der Käse, den der Fuchs entdeckt
hatte, sah wirklich appetitlich aus. Ohne zu überlegen kletterte er in
den Eimer, und da er viel schwerer als der Fuchs war, sauste er hinab in die
Tiefe und zog den Eimer mit dem Fuchs hinauf.
Der Fuchs rettete sich sofort auf sicheren Boden und lachte sich eins ins Fäustchen.
"Wohl bekomm's!" rief er spöttisch und eilte davon.