Franz Grillparzer

*15. Januar 1791 Wien
+21. Januar 1872 Wien begraben: Wien, Währinger Friedhof
Ältester von vier Söhnen des Hof- und Gerichtsadvokaten Wenzel Grillparzer und seiner Frau Anna Franziska, geb. Sonnleithner. Glückliche Kindheit, aber in der Jugend Schicksalsschläge und Depressionen: Der Tod des wortkargen, beruflich erfolglosen Vaters lässt die Familie verarmt zurück; die hysterisch-sensible Mutter begeht in einem Anfall von Wahnsinn Selbstmord. Der jüngste Bruder ertränkt sich, der andere zerquält sich in Selbstvorwürfen, beim dritten Anzeichen von Geistesstörung. Unglückliche und sonderbare Liebesbeziehungen; hypochondrische, melancholische Veranlagung; unfähig zur dauerhaften menschlichen Bindung. Berufliche Frustration als Beamter des niederen Dienstes; geht 1856 als Hofrat verbittert ab: "Als Mensch unverstanden, als Beamter übersehen, als Poet höchstens geduldet, schlepp ich mein einförmiges Dasein fort." Späte Ehrungen.
Bedeutendster österreichischer Dramatiker des 19. Jhs. Kometenhafter Aufstieg zum Theaterdichter Wiens; Resignation nach dem Misserfolg von Weh dem, der lügt.
In seinen Dramen Formelemente des österreichischen und spanisch-katholischen Barocktheaters, des Wiener Volksschauspiels und der Dramen der Weimarer Klassik. Zwischen den Epochen: "Ich komme aus andern Zeiten/Und hoffe in andre zu gehn". Seine Helden sind weniger Tatmenschen, sondern schwanken zwischen Gewissen und Handeln, zwischen Zwang zum Handeln und Unfähigkeit zum Handeln; behaupten sich im Verzicht. Dualistische Spannung zwischen starrer kosmischer Ordnung und modernem, autonomem Subjekt. Neben den ausgeführten Dramen noch etwa 200 dramatische Entwürfe.
Die Novelle Der arme Spielmann (verschlüsseltes Selbstporträt) gehört zu den wichtigsten deutschen Künstlernovellen.
Bedeutend auch als Tagebuch-Autor: zwischen 1804 und 1871 eine Fülle von Notizen, Beobachtungen und Urteilen.
Nach 1848 Wandlung vom Liberalen zum konservativen Verteidiger des Habsburgerstaates.
Ehrungen:
1859 Ehrendoktorwürde der Universitäten Wien und Leipzig
1861 Ernennung zum Mitglied des österreichischen Herrenhauses auf Lebenszeit: Reichsrat
1864 Ehrenbürger Wiens
wichtige Lebensdaten:
1797 Josefstädter Hauptschule
1801 Besuch des Anna-Gymnasiums
1804 philosophisches Propädeutikum an der Universität Wien; Beginn der Tagebuchaufzeichnungen (bis 1871)
1807-11 Studium der Staats- und Rechtswissenschaft an der Universität Wien
1808 erste literarische Arbeiten
1809 Tod des Vaters
1810 Stelle als Hauslehrer
1812 Hauslehrer beim Grafen von Seilern-Aspang
1813-15 unbesoldeter Praktikant an der Hofbibliothek, bei der Zollverwaltung und bei der Hofkammer
1815 subalterner Beamter bei der Finanzverwaltung
1816 Beginn der Freundschaft mit seinem Förderer Joseph Schreyvogel, dem späteren Direktor des Burgtheaters
1817 Selbstmord des jüngsten Bruders Adolf
1818 Ernennung zum Hoftheaterdichter auf 5 Jahre
1819 Selbstmord der Mutter; unerfüllte Zuneigung zu Charlotte von Paumgartten, geb. Jetzer; Italienreise als Begleiter eines Kammerherrn "auf halbe Kosten" (Venedig, Florenz, Rom, Neapel); wird bei Beförderung übergangen
1820 Campo-vaccino-Affäre: Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde (G. hatte in der Elegie Campo vaccino die "riesige Vergangenheit" der heidnischen Antike mit der "neuen, flachen Zeit" konfrontiert: steht fortan bei Hof unter Radikalismus-Verdacht und gilt als Gegner des Metternich-Systems)
1821 Verlobung mit Katharina Fröhlich (1800-1879): "ewige Braut"; für beide qualvolle Beziehung
1823 Konzipist der allgemeinen Hofkammer; Zusammentreffen mit Beethoven
1826 Reise durch Deutschland: Prag, Dresden, Berlin, Weimar, München; Begegnungen mit Tieck, Fouqué, Chamisso, Goethe
1827 Tod Charlottes von Paumgartten
1832 Ernennung zum Direktor des Hofkammerarchivs: Zeit für literarische Tätigkeit. Beschäftigung mit Hegel, älterer deutscher, romanischer und klassischer Literatur
1834 vergebliche Bewerbung um die Leitung der Universitätsbibliothek; Liebesbegegnung mit Heloise Hoechner
1836 Reise nach Frankreich (in Paris Begegnung mit Heine, Börne) und England; Rückreise über Stuttgart (Uhland, Schwab)
1838 völliger Rückzug aus dem literarischen Leben nach dem Misserfolg von Weh dem, der lügt!
1843 Reise nach Preßburg, Budapest, Belgrad, Konstantinopel, Athen
1846 Bekanntschaft mit Eichendorff während dessen Aufenthalt in Wien
1847 Reise nach Deutschland (Hamburg, Berlin); Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
1849 Zimmer in der Wohnung Katharina Fröhlichs, die sie zusammen mit ihren drei Schwestern bewohnt; der fast taube, augenleidende Greis wird liebevoll umsorgt
1856 Pensionierung; Titel eines Hofrats
1866 Testament: Katharina Fröhlich als Alleinerbin und Nachlassverwalterin
Werke: e = entstanden, a = uraufgeführt in
Dramen
1809 e (1858 a Wien) Blanka von Kastilien (Tragödie)
1817 (a Wien; 1816 e) Die Ahnfrau (Trauerspiel)
1819 (1818 a Wien; 1817 e) Sappho (Trauerspiel)
1822 (1821 a Wien) Das goldene Vließ (dramatisches Gedicht; Trilogie): Der Gastfreund (1 Akt) / Die Argonauten (4 Akte) / Medea (5 Akte)
1825 (a Wien; 1823 e) König Ottokars Glück und Ende (historisches Trauerspiel)
1830 (1828 a Wien; 1826 e) Ein treuer Diener seines Herrn (Trauerspiel)
1840 (1831 a Wien; 1829 e) Des Meeres und der Liebe Wellen (Trauerspiel)
1840 (1834 a Wien; 1831 e) Der Traum ein Leben (dramatisches Märchen)
1840 (1838 a Wien) Weh dem, der lügt (Lustspiel)
1863 (1868 a Wien; 1829-40 e) Esther (Frgm.)
1872 (1874 a Wien; 1. Akt 1840 a Wien) Libussa (Trauerspiel)
1872 (a Wien; 1848 e) Ein Bruderzwist in Habsburg (Trauerspiel)
1872 (a Prag; 1851 e) Die Jüdin von Toledo (historisches Trauerspiel)
Oper
1823 e (1833 a Berlin) Melusina (urspr. für Beethoven; Vertonung: Konradin Kreutzer)
Novellen
1828 (1827 e) Das Kloster bei Sendomir
1848 (1842 e) Der arme Spielmann
Lyrik zu Lebzeiten Grillparzers keine Sammelausgabe der Gedichte
1819 Campo vaccino (Elegie)
1835 (1826-33 e) Tristia ex Ponto (Zyklus)
Autobiographie
1853 e Selbstbiographie
Rede
1827 Rede am Grabe Beethovens
Übersetzung
1813 Calderón: Das Leben ein Traum
Gesamtausgabe
1872-88 Sämtliche Werke, hg. von H. Laube u. J. Weilen, Stuttgart (10 Bde.)