Gottfried Benn

*2. Mai 1886 Mansfeld (Kreis Westpriegnitz)
+7. Juli 1956 Berlin begraben: Berlin Dahlem, Waldfriedhof
Sohn des Pastors Gustav Benn und seiner Frau Caroline, geb. Jequier; aufgewachsen in Sellin in der Neumark; sieben Geschwister; erster Unterricht im Pfarrhaus.
1914 1. Ehe mit Edith Osterloh (+1922); Tochter Nele (*1915)
1938 2. Ehe mit Herta von Wedemeyer (+1945, Selbstmord)
1946 3. Ehe mit Dr. Ilse Kaul
Ausgangspunkt: Nietzsche, der Expressionismus, Desillusionierung, Negation der überlieferten Weltanschauungen. Entscheidender Einfluss auf die nachfolgende Dichtergeneration.
In seinen frühen Gedichten provokante Erschütterung der konventionellen Vorstellung von Lyrik ("medi-zynisches" Weltbild"): brutale Wirklichkeit der Welt von Leichenschauhaus und Hospital; unsentimentale Aneinanderreihung von Bildern der Krankheit und des fleischlichen Zerfalls ohne Sinndeutung: "Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch". Das Ich treibt in einer absurden Welt verloren dahin; dementsprechend das Stilprinzip der Montage von disparaten "Weltbruchstücken". Ersatz für die metaphysische Leere: "die Transzendenz der schöpferischen Lust"; Kunst als "Ja über den Abgründen". Formvollendung als Antithese zur "Verhirnung": "Das Gehirn ist ein Irrweg. Ein Bluff für den Mittelstand. Wir wollen den Traum. Wir wollen den Rausch. Wir rufen Dionysos und Ithaka."
In Benns "monologischer" Prosa Auflösung des traditionellen Erzählens.
"Wenn man wie ich die letzten fünfzehn Jahre lang von den Nazis als Schwein, von den Kommunisten als Trottel, von den Demokraten als geistig Prostituierter, von den Emigranten als Überläufer, von den Religiösen als pathologischer Nihilist öffentlich bezeichnet wird, ist man nicht so scharf darauf, wieder in die Öffentlichkeit einzudringen...", 1949.
Auszeichnungen:
1951 Büchner-Preis
wichtige Lebensdaten:
1886 Übersiedlung der Familie nach Sellin
1896-1903 Besuch des humanistischen Friedrich-Gymnasiums in Frankfurt/Oder
1903-04 auf Wunsch des Vaters zwei Semester Theologie und Philologie in Marburg
1905-10 Medizinstudium in der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin
1910 1. Preis der medizinischen Fakultät der Universität Berlin für seine Schrift Ätiologie der Pubertätsepilepsie
1911-12 Unterarzt im Infanterie-Regiment in Prenzlau; quittiert den militärärztlichen Dienst aus gesundheitlichen Gründen
1912 Promotion mit der Dissertation Über die Häufigkeit des Diabetes mellitus im Heer; Approbation als Arzt; Pathologe und Serologe im Krankenhaus Charlottenburg-Westend; im Café des Westens Kontakt zum Kreis der Berliner Expressionisten, eng befreundet mit Else Lasker-Schüler; durch die Veröffentlichung der schockierenden Morgue-Gedichte mit einem Schlag berühmt-berüchtigt
1913 Leitung des Pathologischen Instituts am Städt. Krankenhaus in der Sophie-Charlottenstraße
1914 Reisen als Schiffsarzt nach Amerika; bei Kriegsausbruch Heirat; Teilnahme als Militärarzt an den Kämpfen in Belgien
1915-17 in der Etappe in Brüssel; steht im regen Verkehr mit Sternheim, Flake, Carl Einstein
1917 Praxis als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Berlin
1922 Tod von Edith Benn; B. gibt seine Tochter zu einer dänischen Freundin nach Kopenhagen, wo sie aufwächst und Dänin wird
1932 Mitglied der Preußischen Akdamie der Künste, Abteilung Dichtung
1933-34 vorübergehend im Bann des Nationalsozialismus; erkennt nach dem Röhm-Putsch den kriminellen Charakter des nationalsozialistischen Regimes
1935 Reaktivierung als Militärarzt bei der Wehrmacht ("aristokratische Form der Emigration"): Oberstabsarzt in Hannover; schwere Angriffe gegen ihn im "Völkischen Beobachter"
1938 Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer (Veröffentlichungsverbot)
1937 Versetzung nach Berlin; Versorgungsarzt
1943-45 Oberstarzt in Landsberg an der Warthe
1945 Benns 2. Frau nimmt sich im Zusammenhang mit Besatzungsgräueln der Roten Armee in Neuhaus an der Elbe mit Morphium das Leben
Werke: e = entstanden
Lyrik
1912 Morgue und andere Gedichte (u.a. Schöne Jugend, Kleine Aster, Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke)
1913 Söhne. Neue Gedichte
1917 Fleisch. Gesammelte Lyrik (u.a. Nachtcafé)
1924 Schutt (Gedichte)
1925 Spaltung. Neue Gedichte
1927 Gesammelte Gedichte
1936 Ausgewählte Gedichte. 1911-1936 (u.a. Einsamer nie)
1936 Gedichte
1943 Zweiundzwanzig Gedichte (u.a. Ein Wort, Verlorenes Ich)
1948 Statische Gedichte (u.a. Trunkene Flut)
1949 Trunkene Flut. Ausgewählte Gedichte
1951 Fragmente. Neue Gedichte
1953 Destillationen. Neue Gedichte (u.a. Zwei Dinge)
1955 Aprèslude (Gedichte)
1956 Gesammelte Gedichte
1958 Primäre Tage. Gedichte und Fragmente aus dem Nachlass
Erzählungen/Prosa
1916 Gehirne. Novellen ("Rönne-Novellen": Gehirne, Die Eroberung, Die Reise, Die Insel, Der Geburtstag)
1918 Diesterweg. Eine Novelle
1949 Der Ptolemäer (Der Ptolemäer. Berliner Novelle 1947; Weinhaus Wolf; Roman des Phänotyp)
Dramatische Szenen/Gespräche
1919 Der Vermessungsdirigent. Erkenntnistheoretisches Drama
1919 Etappe
1949 Drei alte Männer. Gespräche
1952 Die Stimme hinter dem Vorhang (Hörspiel)
Oratorium
1931 Das Unaufhörliche. Oratorium in 3 Teilen (Vertonung Paul Hindemith)
Essays, Aphorismen, Reden und Vorträge
1928 Totenrede für Klabund
1929 Zur Problematik des Dichterischen
1930 Fazit der Perspektiven
1931 Rede auf Heinrich Mann
1932 Nach dem Nihilismus (urspr. Der Nihilismus und seine Überwindung)
1933 Der neue Staat und die Intellektuellen
1934 Kunst und Macht (Sammelbd.; u.a. Lebensweg eines Intellektualisten)
1949 (1940-45 e) Ausdruckswelt. Essays und Aphorismen
1951 Probleme der Lyrik
1954 Altern als Problem für Künstler
1956 Soll die Dichtung das Leben bessern?
Autobiographie
1950 Doppelleben. Zwei Selbstdarstellungen
Ausgaben zu Lebzeiten
1922 Die gesammelten Schriften
1927 Gesammelte Gedichte
1928 Gesammelte Prosa
1936 Ausgewählte Gedichte. 1911-1936
1949 Trunkene Flut. Ausgewählte Gedichte (bis 1935)
1950 Frühe Prosa und Reden
1951 Essays
1952 Frühe Lyrik und Dramen
1955 Reden
1956 Gesammelte Gedichte