Karl Philipp Moritz

* 15. September 1756 Hameln
+ 26. Juni 1793 Berlin (Lungenleiden) begraben: Berlin, Friedhof St. Georgen
Sohn des Militärmusikers, späteren Dorfschreibers Johann Gottlieb Moritz und seiner Frau Dorothee Henriette, geb. König. Bedrückende Kindheit in ärmlichsten Verhältnissen, zerrüttete Ehe der Eltern; durch den Quietismus des Vaters geprägte Jugend ohne Liebe (Selbstverleugnung und "Ertötung" der Eigenliebe); Vater hält ihn aus religiösen Gründen von öffentlichen Schulen fern, lässt in von Privatlehrern im Lesen und Schreiben unterrichten.
M. macht früh in mehrfacher Hinsicht die Erfahrung der Demütigung und des Scheiterns; armselige Lebensumstände; chronisches Lungenleiden. Profilierung als Autor ab 1783; gesellschaftliche Etablierung erst kurz vor seinem Tod.
1792 Heirat mit Christiane Friederike Matzdorff (Schwester des Verlegers Karl Matzdorff); Dez.: Scheidung
1793 März: Wiederverheiratung mit Christiane
Eine der Schlüsselfiguren in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Sprachpädagoge, Psychologe, Mythologe, Theoretiker des Schönen, Schriftsteller. Rücksichtslose Selbstzergliederung, Aufklärung als Aufklärung des Menschen über sich selbst, "ein hervorragender und ein verstümmelter Mensch" (Franz Blei).
Mitbegründer der klassischen Kunstlehre. Vorstellung von der Autonomie der Kunst, Ablehnung von Nutzen und Vergnügen als ihrem Hauptzweck. Wegbereiter der deutschen Klassik; großer Einfluss auf Goethe.
wichtige Lebensdaten:
1763 Regiment des Vaters wird nach Hannover verlegt
1766 heimliche Lektüre von Romanen
1768 Privatunterricht in Latein; Herbst: Hutmacherlehre bei einem tyrannischen Lehrherrn in Braunschweig, der mit pseudoreligiösen Argumenten (z. B. mit drohenden Höllenstrafen) an den Arbeitseifer seiner Angestellten appelliert
1770 M. ist dem Druck nicht gewachsen: Selbstmordversuch; Abbruch der Lehre und Rückkehr nach Hannover; der Garnisonspfarrer erkennt seine Begabung und verschafft ihm ein Stipendium
1771-76 Gymnasium in Hannover; Lektüre der Stürmer und Dränger; Freundschaft mit Iffland
1776 Student der Theologie an der Universität Erfurt; Anschluss an eine Wanderschauspieltruppe
1777 Studium in Wittenberg (ohne Abschluss); Bekanntschaft mit dem Philanthropen Basedow
1778 vergebliches Bemühen um eine Anstellung als Lehrer am Basedowschen Philanthropinum in Dessau; Juli: Informator am Potsdamer Militärwaisenhaus; Nov.: Lehrer an der unteren Schule des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin
1779 Magisterprüfung in Wittenberg; Konrektor am Gymnasium zum Grauen Kloster; Eintritt in die Berliner Freimaurerloge St. Johannis
1782 Fußwanderung durch England
1783 Reise nach Göttingen; Mitherausgabe der ersten deutschen Fachzeitschrift für Psychologie, dem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (11 Bde., bis 1793)
1784 Gymnasialprofessor; Redakteur der Vossischen Zeitung (bis 1785)
1785 Fußwanderung durch Deutschland; Begegnung mit Schiller, Wezel, Wieland
1786-88 Abbruch des Schuldienstes; Italienreise; in Rom Kontakt mit Goethe und Herder (der sich abschätzig über M. äußert, 1788)
1788 zu Fuß von Italien nach Weimar; Dez.: bei Goethe, wo er mit Schiller, Wieland und Charlotte von Stein verkehrt; erteilt Herzog Karl August Englischunterricht
1789 Jan.: Rückreise nach Berlin; auf Vermittlung des Herzogs Professor der Theorie der schönen Künste in Berlin; Zuhörer seiner Vorlesungen u.a. Wackenroder und Tieck;
1791 Mitglied der Berliner Königlichen Akademie der Wissenschaften; Königlich Preußischer Hofrat
1792 Juni: Beginn des Briefwechsels mit Jean Paul; Verlobung, Heirat, Entführung der 20 Jahre jüngeren Frau durch einen früheren Liebhaber; Dez.: Scheidung
1793 März: erneute Heirat mit Christiane Friederike; Apr.: Reise mit seiner Frau nach Dresden
Werke:
Romane
1785-90 Anton Reiser, ein psychologischer Roman (4 Bde.)
1786 Andreas Hartknopf. Eine Allegorie
1790 Andreas Hartknopfs Predigerjahre
Erzählung
1794 Die neue Cecilia
Drama
1781 Blunt oder Der Gast (erstes deutsches Schicksalsdrama)
Gedichte
1781 Sechs deutsche Gedichte, dem Könige von Preußen gewidmet
Reiseberichte
1783 Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782
1792-93 Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 (3 Bde.)
Schriften
1781 Beiträge zu einer Philosophie des Lebens
Kleine Schriften, die deutsche Sprache betreffend
1782 Ansichten zur Experimentalseelenlehre / Deutsche Sprachlehre für Damen
1783-93 Gnothi Sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde (zus. mit C.F. Pockels und S. Maimon; 11 Bde.)
1783 Anleitung zum Briefschreiben
1784 Ideal einer vollkommenen Zeitung
Von der deutschen Rechtschreibung nebst vier Tabellen
1786 Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik, welche auch zum Teil für Lehrer und Denker geschrieben ist
Versuch einer deutschen Prosodie
1786-88 Denkwürdigkeiten zur Beförderung des Schönen ( 4 Bde.)
1788 Über die bildende Nachahmung des Schönen
1791 Götterlehre oder Mythologische Dichtungen der Alten / Italiänische Sprachlehre / Anthousa oder Roms Altertümer, ein Buch für die Menschheit (2 Bde.) / Vorlesungen über den Stil
1793 Die symbolische Weisheit der Aegypter
1793-97 Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache (4 Bde.)
Teilausgaben
1962 Schriften zur Ästhetik und Poetik, Krit. Ausg., hg. v. Hans J. Schrimpf, Tübingen
1973 Werke, Berlin/Weimar (2 Bde.)
1981 Werke, hg. v. Horst Günther, Frankfurt/M. (3 Bde.)
1987-88 Die Schriften in 30 Bänden, hg. v. Petra und Uwe Nettelbeck, Nördlingen (ersch. Bd. 13, 15, 16)