Der Wolf auf dem Todbette
Der Wolf lag in den letzten Zügen und schickte einen prüfenden Blick
auf sein vergangenes Leben zurück. »Ich bin freilich ein Sünder«,
sagte er; »aber doch, ich hoffe, keiner von den größten. Ich
habe Böses getan; aber auch viel Gutes. Einstmals, erinnere ich mich, kam
mir ein blökendes Lamm, welches sich von der Herde verirret hatte, so nahe,
daß ich es gar leicht hätte würgen können; und ich tat
ihm nichts. Zu eben dieser Zeit hörte ich die Spöttereien und Schmähungen
eines Schafes mit der bewunderungswürdigsten Gleichgültigkeit an,
ob ich schon keine schützenden Hunde zu fürchten hatte.«
»Und das alles kann ich dir bezeugen«, fiel ihm Freund Fuchs, der
ihn zum Tode bereiten half, ins Wort. »Denn ich erinnere mich noch gar
wohl aller Umstände dabei. Es war zu eben der Zeit, als du an dem Knochen
so jämmerlich würgtest, den dir der gutherzige Kranich hernach aus
dem Schlunde zog.«