Die Erscheinung
In der einsamsten Tiefe jenes Waldes, wo ich schon manches redende Tier belauscht,
lag ich an einem sanften Wasserfalle und war bemüht, einem meiner Märchen
den leichten poetischen Schmuck zu geben, in welchem am liebsten zu erscheinen
La Fontaine die Fabel fast verwöhnt hat. Ich sann, ich wählte, ich
verwarf, die Stirne glühte - - Umsonst, es kam nichts auf das Blatt. Voll
Unwill sprang ich auf; aber sieh! - auf einmal stand sie selbst, die fabelnde
Muse vor mir.
Und sie sprach lächelnd: "Schüler, wozu die undankbare Mühe?
Die Wahrheit braucht die Anmut der Fabel; aber wozu braucht die Fabel die Anmut
der Harmonie? Du willst das Gewürze würzen. G'nug, wenn die Erfindung
des Dichters ist; der Vortrag sei des ungekünstelten Geschichtsschreibers,
so wie der Sinn des Weltweisen."
Ich wollte antworten, aber die Muse verschwand. "Sie verschwand?"
höre ich einen Leser fragen. "Wenn du uns doch nur wahrscheinlicher
täuschen wolltest! Die seichten Schlüsse, auf die dein Unvermögen
dich führte, der Muse in den Mund zu legen! Zwar ein gewöhnlicher
Betrug-"
Vortrefflich, mein Leser! Mir ist keine Muse erschienen. Ich erzähle eine
bloße Fabel, aus der du selbst die Lehre gezogen. Ich bin nicht der erste
und werde nicht der letzte sein, der seine Grillcn zu Orakelsprüchen einer
göttlichen Erscheinung macht.