Thomas Mann
eigentl. Paul Thomas Mann

*6. Juni 1875 Lübeck
+12. August 1955 Zürich (an den Folgen einer Arteriosklerose) begraben: Kilchberg bei Zürich, Friedhof
Aus wohlhabender Lübecker Patrizierfamilie; zweiter Sohn des Kaufmanns und niederländischen Konsuls Thomas Johann Heinrich Mann (1840-1891) und seiner Frau Julia geb. da Silva-Bruhns (1851-1923; Tochter eines deutschen Plantagenbesitzers und einer portugiesisch-kreolischen Brasilianerin). Das so vorgegebene bürgerlich-protestantische Leistungsethos einerseits und die "künstlerisch-sinnliche Richtung" andererseits bestimmen Leben und Werk.
Geschwister: Heinrich (1871-1950), Julia (1877-1927), Carla (1881-1910) und Karl Victor (1890-1949)
1905 Heirat mit Katharina (Katja) Pringsheim (1883-1980); Kinder: Erika (1905-1969), Klaus (1906-1949), Golo (Angelus Gottfried Thomas; 1909-1994), Monika (1910-1992), Elisabeth (1918-2002), Michael (1919-1977)
Größter deutscher Romancier und einer der bedeutendsten kulturkritischen Essayisten des 20. Jhs. Die Spannung, die ihn selbst beherrscht (Künstler - Bürger, Ästhetizist - Moralist), ist Leitmotiv seines Schaffens: Kunst (in den Erscheinungsformen der Krankheit und Lebensuntüchtigkeit aus Überfeinerung) einerseits und lebensvolles Bürgertum andererseits; die "Helden" seiner Erzählungen sind sensible, nervöse Künstlernaturen und mehr dem kunstvollen Schein als dem wirklichen Sein verhaftete Menschen, Außenseiter und Sonderlinge. Großes stilistisches Können, Mittel der Ironie und Parodie ("Formalismus, Psychologismus und die Neigung zur Dekadenz").
Thomas Mann verteidigt die Werte des "bürgerlichen Zeitalters", zeigt ihre Gefährdung und ihren Zerfall in schonungsloser Analyse (Buddenbrooks, Zauberberg) ebenso wie Schuld und Verantwortung (Doktor Faustus). Sein unpolitischer Kulturkonservatismus der ersten Lebenshälfte (Betrachtungen eines Unpolitischen) wird von ihm selbst später relativiert ("ein einziges großes Rückzugsgefecht romantisch apolitischer Bürgerlichkeit"); vertritt als Reaktion auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus die "Idee eines neuen sozialen Humanismus".
Auszeichnungen:
1909 Ehrendoktorwürde der Universität Bonn (1936 aberkannt; 1946 ern.)
1926 Verleihung des Professoren-Titels durch den Lübecker Senat
1929 Nobelpreis für Literatur
1935 Ehrendoktorwürde der Harvard University
1939 Ehrendoktorwürde der Princeton University
1949 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt; Goethe-Nationalpreis der DDR und Ehrenbürgerschaft der Stadt Weimar; Ehrendoktorwürden der Universitäten Oxford und Lund
1952 Premio Feltrinelli; Offizierskreuz der Ehrenlegion
1953 Ehrendoktorwürde der Universität Cambridge
1955 Ehrenbürger der Stadt Lübeck; Ehrendoktorwürde der Universität Jena; Orden Pour le Mérite, Friedensklasse
wichtige Lebensdaten:
1877 Wahl des Vaters in den Lübecker Senat
1881 Umzug in das neue Haus Beckergrube 52
1882 Privatschule Progymnasium von Dr. Bussenius
1889 Katharineum, realgymnasiale Abteilung
1890 Konfirmation; hunderjähriges Jubiläum der Firma Johann Siegmund Mann
1891 Tod des Vaters; Liquidierung der Firma
1892 Übersiedlung der Mutter mit den drei Jüngsten nach München
1893 Mitherausgeber der Schülerzeitschrift Der Frühlingssturm. Monatsschrift für Kunst, Litteratur und Philosophie. Abgang vom Gymnasium aus der Obersekunda; Übersiedlung nach München
1894 Volontär in der Süddeutschen Feuerversicherungsbank
1895-96 Gasthörer an der Technischen Hochschule München; Beiträge für die von seinem Bruder Heinrich herausgegebene Zeitschrift Das Zwanzigste Jahrhundert; 1895 erste Italienreise mit dem Bruder
1896-98 Italienaufenthalt: Venedig, Neapel, Rom, Palestrina
1898 Rückkehr nach München; Lektor des Simplicissimus
1899 Urlaubsreise nach Dänemark
1900 Militärdienst im Kgl.-Bayerischen Infanterie-Leibregiment; Entlassung wegen Dienstuntauglichkeit
1908 Bau des Sommerhauses in Bad Tölz
1910 Die Schwester Carla vergiftet sich mit Zyankali.
1911 Aufenthalt auf dem Lido bei Venedig
1914 Bezug des neuen Hauses München, Poschinger Straße 1
1915 Entfremdung zwischen Thomas und Heinrich Mann
1917 Verkauf des Landhauses in Bad Tölz
1922 Aussöhnung mit Heinrich
1923 Tod der Mutter
1924 Holland, England; Ferien auf Hiddensee mit Gerhart Hauptmann
1926 Paris; Ferien in Forte dei Marmi
1927 Warschau; Freitod der Schwester Julia verh. Löhr
1930 Sommerhaus in Nidden; Reise nach Ägypten und Palästina
1933 Vortragsreise in Holland; Emigration; Sanary-sur-Mer
1933-38 Küsnacht bei Zürich
1934 erste Reise in die USA
1935 zweite Reise in die USA; Gast des Präsidenten Roosevelt
1936 Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft; tschechischer Staatsbürger
1937 dritte Reise in die USA
1938 vierte Reise in die USA; Übersiedlung in die USA; Gastprofessur in Princeton
1940 Umzug nach Kalifornien; ab Oktober monatliche Radiosendungen Deutsche Hörer!
1941 Bau des eigenen Hauses
1942-52 Wohnsitz Pacific Palisades, Cal.
1944 amerikanische Staatsbürgerschaft
1946 Lungenoperation in Chicago
1949 Tod des Bruders Victor und Freitod des Sohnes Klaus; Reden im Goethe-Jahr
1950 Tod des Bruders Heinrich in Santa Monica, Kalifornien
1952 Rückkehr nach Europa; Übersiedlung in die Schweiz (Erlenbach bei Zürich); jährliche Besuche in Deutschland
1954 Erwerb des Hauses in Kilchberg bei Zürich
1955 letztes öffentliches Auftreten im Schillerjahr; Erkrankung an einer Thrombose in Noordwijk aan Zee; Tod im Zürcher Kantonsspital
Werke: (e = entstanden; a = Uraufführung)
Romane
1901 (1897-1900 e) Buddenbrooks. Verfall einer Familie
1909 (ab 1906 e) Königliche Hoheit
1924 (1913-24 e) Der Zauberberg
1933-43 Joseph und seine Brüder / Die Geschichten Jaakobs / Der junge Joseph / Joseph in Ägypten / Joseph, der Ernährer
1939 (1936-39 e) Lotte in Weimar
1947 (ab 1943 e) Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde
1951 Der Erwählte
1954 (1909-1911, 1951-54 e) Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil (1922 1. Buch u.d.T. Buch der Kindheit; 1937 erw.)
Novellen und Erzählungen
1893 Vision (unter dem Pseudonym Paul Thomas)
1894 Gefallen
1896 Der Wille zum Glück
1897 (1894 e) Der kleine Herr Friedemann
1897 Der Tod
1897 (1895 e) Der Bajazzo
1898 (1896 e) Enttäuschung
1898 (1897 e) Tobias Mindernickel
1899 Der Kleiderschrank. Eine Geschichte voller Rätsel
1899 Gerächt
1900 (1897 e) Luischen
1900 Der Weg zum Friedhof
1902 Gladius Dei
1903 (1902 e) Tristan
1903 (1902 e) Die Hungernden
1903 (1901-02 e) Tonio Kröger
1903 Das Wunderkind
1904 Ein Glück
1905 Schwere Stunde
1906 (1905 e) Wälsungenblut
1908 Anekdote
1909 (1908 e) Das Eisenbahnunglück
1911 Wie Jappe und Do Escobar sich prügelten
1912 (1911 e) Der Tod in Venedig
1914 (1904 e) Beim Propheten
1919 (1918 e) Herr und Hund. Ein Idyll
1925 Unordnung und frühes Leid
1930 (1929 e) Mario und der Zauberer. Ein tragisches Reiseerlebnis
1934 Der Knabe Henoch (Frgm.)
1940 Die vertauschten Köpfe. Eine indische Legende
1943 Das Gesetz (Forts. des Joseph-Romans; in engl. Sprache; dt.: 1944)
1953 Die Betrogene
Erzählungen: Sammelbände
1898 Der kleine Herr Friedemann. Novellen
1903 Tristan. Sechs Novellen
1909 Der kleine Herr Friedemann und andere Novellen
1914 Das Wunderkind. Novellen
Versdichtung
1919 Gesang vom Kindchen (Hexameter-Idylle)
Dramen
1905 (1907 a Frankfurt/M.) Fiorenza
1954 e Luthers Hochzeit (Frgm.)
Kritische Schriften
1906 Bilse und ich
1915 Friedrich und die große Koalition
1918 (ab 1915 e) Betrachtungen eines Unpolitischen
1922 Rede und Antwort. Gesammelte Abhandlungen und kleine Aufsätze
1924 Okkulte Erlebnisse
1925 Bemühungen. Neue Folge der Gesammelten Abhandlungen und kleinen Aufsätze
1926 Pariser Rechenschaft
1930 Die Forderung des Tages. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1925-1929
1935 Leiden und Größe der Meister. Neue Aufsätze
1937 Ein Briefwechsel
1938 Achtung Europa! Aufsätze zur Zeit
1938 Dieser Friede
1938 Schopenhauer
1940 Dieser Krieg!
1945 Adel des Geistes. Sechzehn Versuche zum Problem der Humanität
1948 Neue Studien
1949 Goethe und die Demokratie
1949 Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans
1950 Michelangelo in seinen Dichtungen
1953 Altes und Neues. Kleine Prosa aus fünf Jahrzehnten
1955 Versuch über Schiller
1956 Nachlese. Prosa
Reden und Vorträge
1923 Goethe und Tolstoi (1932 veränd. u.d.T. Goethe und Tolstoi. Zum Problem der Humanität)
1923 Von deutscher Republik
1926 Lübeck als geistige Lebensform
1928 Hundert Jahre Reclam. Festrede
1929 Theodor Fontane
1930 Platen - Tristan - Don Quijote
1930 Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft
1930 Die Forderung des Tages. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1925-1929
1932 Goethe als Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters. Rede zum 100. Todestag Goethes
1933 Goethes Laufbahn als Schriftsteller
1936 Freud und die Zukunft
1938 Vom zukünftigen Sieg der Demokratie (Neuaufl. 1946 u.d.T. Vom kommenden Sieg der Demokratie)
1939 Das Problem der Freiheit
1942 Deutsche Hörer! 25 Radiosendungen nach Deutschland (erw. 1945: 55 [recte 56]...)
1947 Deutschland und die Deutschen
1949 Ansprache im Goethejahr 1949
1950 Meine Zeit
1953 Der Künstler und die Gesellschaft
1953 Gerhart Hauptmann
Tagebücher
1946 Leiden an Deutschland. Tagebuchblätter aus den Jahren 1933 und 1934
1973 Notizen zu Felix Krull, Friedrich, Königliche Hoheit, Versuch über das Theater, Maja, Geist und Kunst, Ein Elender, Betrachtungen eines Unpolitischen, Doktor Faustus und anderen Werken
1977ff. Tagebücher 1918-1921; 1933ff.
Werkausgaben zu Lebzeiten Manns
1922-35 Gesammelte Werke (in Einzelausgaben)
1925 Gesammelte Werke in 10 Bänden
1938 Stockholmer Gesamtausgabe der Werke