Theodor Storm
vollst. Name: Hans Theodor Woldsen Storm

*14. September 1817 Husum
+4. Juli 1888 Hademarschen bei Rendsburg (Magenkrebs) begraben: Husum, Friedhof St. Jürgen
Erstes Kind des Justizrats Johann Casimir Storm (1790-1874) und seiner Frau Lucie, geb. Woldsen (1797-1879). Mütterlicherseits enge Beziehung zur alten Patrizierkultur der Handelsstadt Husum. Religiös indifferentes Elternhaus.
St. geht nach der Besetzung Schleswigs durch dänische Truppen aufgrund seiner anti-dänischen Haltung ins selbstgewählte preußische Exil. Letztes Lebensdrittel überschattet vom Tod der ersten Frau und der Trunksucht bzw. dem Tod seines ältesten Sohnes (Pessimismus seiner späten Schicksalsnovellen). Zeitlebens Ablehnung einer Transzendenz; ohne kirchliche Zeremonien beigesetzt:
Auch bleib der Priester meinem Grabe fern;
Zwar sind es Worte, die der Wind verweht,
Doch will es sich nicht schicken, daß Protest
Gepredigt werde dem, was ich gewesen,
Indes ich ruh im Bann des ew´gen Schweigens.
(Gedicht "Ein Sterbender", 1864)

1846 1. Ehe mit seiner Cousine Constanze Esmarch (1825-1865); Kinder: Hans (1848-1886), Ernst (*1851), Karl (*1853), Lisbeth (*1855), Lucie (*1860), Elsabe (*1863), Gertrud (*1865)
1866 2. Ehe mit Dorothea Jensen (1828-1903); Tochter: Friederike (*1868)
Bedeutender Lyriker und Novellist des bürgerlichen Realismus.
Durch seine Herkunft und die Thematik seiner Werke eng mit Nordfriesland verbunden (Fontane: "Husumerei"): Gestaltung der norddeutschen Landschaft und ihrer Menschen mit knappem psychologischem Realismus.
In den Gedichten Stimmung der Schwermut und Hoffnungslosigkeit, der Unhaltbarkeit menschlichen Lebensglücks. Thomas Mann: "In dieser [...] Lyrik steht Perle fast neben Perle."
Meister der Novelle (berühmte Novellendefinition: "die heutige Novelle ist die Schwester des Dramas und die strengste Form der Prosadichtung."); wendet sich in den späteren Novellen zunehmend sozialen Fragen zu; in den historischen Novellen unheimliche und phantastische Thematik. Storms Menschenbild (Der Mensch "lebt für sich, in fürchterlicher Einsamkeit; ein verlorener Punkt in dem unermessenen und unverstandenen Raum.") spiegelt sich in der Landschaft, den Menschen und den Stimmungen seiner Werke: endloses Merresgrau, eintönige Weite der Heide, Grundthematik der Hinfälligkeit und Unzulänglichkeit menschlicher Bestrebungen.
wichtige Lebensdaten:
1821 Klippschule
1826 Eintritt in die Quarta der Gelehrtenschule; Tod der Schwester Lucie
1835 Katharineum in Lübeck
1836 Erste Begegnung mit der neunjährigen Bertha von Buchau in Hamburg
1837 Jurastudent an der Universität Kiel
1838 Immatrikulation an der Universität Berlin. Dresden
1839 Rückkehr nach Kiel; Freundschaft mit Theodor und Tycho Mommsen
1840 erste Gedichtveröffentlichungen in der Zeitschrift Europa
1842 Zurückweisung des Heiratsantrags durch Bertha von Buchan. Juristisches Examen
1843 Rückkehr nach Husum; Niederlassung als Advokat
1844 Verlobung mit Constanze Esmarch
1847 Liebe zu Dorothea Jensen
1848-52 Teilnahme an der Volkserhebung in Schleswig-Holstein; Storms Advokatur wird kassiert.
1850 Beginn des Briefwechsels mit Mörike
1852 vergebliche Bewerbungen um die Bürgermeisterstelle in Buxtehude und um eine Richterstelle im Herzogtum Gotha. Reise nach Berlin wegen einer Anstellung im preußischen Justizdienst. Einführung in den literarischen Verein Tunnel über die Spree, Begegnung mit Fontane.
1853 Ernennung zum preußischen Assessor; Übersiedlung nach Potsdam; Beginn der "Exiljahre"
1854 Bekanntschaft mit Eichendorff; Beginn des Briefwechsels mit Paul Heyse
1855 Besuch bei Mörike in Stuttgart
1856 Umzug nach Heiligenstadt; Kreisrichter
1864 nach der dänischen Niederlage Rückkehr nach Husum; Wahl zum Landvogt; Besuch Fontanes
1865 Tod der Gattin bei der Geburt der Tochter Gertrud; Reise nach Baden-Baden, Zusammentreffen mit Turgenjew
1867 Ernennung zum Amtsrichter
1872 Reise nach Salzburg; Begegnung mit Paul Heyse in München
1876 Reise nach Würzburg; Beginn des Briefwechsels mit Keller
1877 Reise nach Würzburg; Freundschaft mit Erich Schmidt
1880 Pensionierung; Umzug in die "Altersvilla" nach Hademarschen
1884 Reise nach Berlin
1886 Reise nach Weimar; schwere Erkrankung; der älteste Sohn Hans stirbt an den Folgen von Alkoholismus
Werke: (e: entstanden)
Erzählungen/Novellen
1848 Im Saal
1849 Posthuma
1850 (1849 e) Immensee
1850 Ein grünes Blatt / Hinzelmeier
1851 Sommergeschichten und Lieder (Sammlung)
1854 Im Sonnenschein
1859 Auf dem Staatshof
1861 Veronika
1862 Im Schloß (1861 e) / Am Kamin
1863 (1862 e) Auf der Universität / Abseits
1864 Der Spiegel des Cyprianus
1865 Von jenseits des Meeres
1867 Eine Malerarbeit
1868 Novellen (Sammlung)
1870 Der Amtschirurgus - Heimkehr
1871 Zwei Kuchenesser der alten Zeit
1872 Draußen im Heidedorf (1871 e) / Eine Halligfahrt (1870 e)
1873 Zerstreute Kapitel (Sammlung)
1874 Viola tricolor (1873 e) / Waldwinkel / Pole Poppenspäler / Beim Vetter Christian
1875 Ein stiller Musikant / Psyche
1876 Aquis submersus / Im Nachbarhause links / Von Kindern und Katzen, und wie sie Nine begruben
1878 Carsten Curator (1877 e) / Renate
1879 Eekenhof
1880 Die Söhne des Senators
1881 Der Herr Etatsrat
1882 Hans und Heinz Kirch
1883 Schweigen
1884 Zur Chronik von Grieshuus / Es waren zwei Königskinder
1885 John Riew´ / Ein Fest auf Haderslevhuus
1886 Vor Zeiten (Sammlung) / Bötjer Basch / Ein Doppelgänger
1888 Ein Bekenntnis / Der Schimmelreiter / Die Armesünderglocke
Märchen und Spukgeschichten
1850 (1849 e) Der kleine Häwelmann
1862 Am Kamin
1864 Die Regentrude / Bulemanns Haus
1865 Der Spiegel des Cyprianus
Gedichte
1843 Liederbuch dreier Freunde (zus. mit Tycho und Theodor Mommsen)
1848 Abseits (1847 e); Oktoberlied
1851 Schließe mir die Augen beide (1846 e)
1852 Gedichte; Die Stadt (1851 e)
1854 Abschied (1853 e); Für meine Söhne
1855 Die Nachtigall; Meeresstrand (e)
Gesamtausgaben
1877-89 Gesammelte Schriften, Braunschweig (19 Bde.)
1919/20 Sämtliche Werke, hg. v. Albert Köster, Leipzig (8 Bde.)
1956 Sämtliche Werke, hg. v. Peter Goldammer (Aufbau, 4 Bde.)
1987f. Sämtliche Werke, hg. v. Karl Ernst Laage u. Dieter Lohmeier, Frankfurt/M. (4 Bde.)

Die Stadt
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohne Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.