10. Junges Deutschland und Vormärz
(1835 - 1848)
Im Gegensatz zur nachträglichen, eher auf reine Zeitgenossenschaft und
ein vages Kriterium des Rückzugs ins Private gestützten Bezeichnung
Biedermeier läßt sich der literarische Vormärz als Sammelbegriff
für die mit deutlich politischer Intention schreibenden Literaten etwa
zwischen 1830 und 1850 in Analogie zum historischen Terminus plausibel legitimieren.
Eine zentrale Rolle spielten hierbei die unter dem Schlagwort Junges Deutschland
zusammengefaßten Autoren, deren Kontakt zueinander zwar relativ lose war,
die aber durch das Verbot ihrer Schriften (1834 in Österreich, 1835 in
Preußen) eine faktische Zusammengehörigkeit erfuhren. Sie entsprach
der Gemeinsamkeit ihrer Ideen, nämlich Ablehnung des absolutistischen Staates
und der dogmatischen Kirche, Überwindung moralischer Konventionen, Eintreten
für Meinungsfreiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Emanzipation
der Frau.
Die bedeutendste Figur in diesem Kontext ist Heinrich Heine, der zwar nur bedingt
dem Jungen Deutschland zugeordnet werden kann, dessen führende Rolle jedoch
durch die Konsequenz seiner Haltung, die Originalität seiner Gedanken und
den ästhetischen Rang seiner Werke begründet ist. Heines Auseinandersetzung
mit der Romantik fand ihren Niederschlag in dem Buch Die romantische Schule
(1836), das zugleich zu einer der wichtigsten theoretischen Schriften des Jungen
Deutschland wurde, da es in ihr nicht um Literaturgeschichte ging, sondern um
eine Abrechnung mit den reaktionären Tendenzen der (Spät-)Romantiker.
Andererseits kann Heine selbst durchaus als der letzte Romantiker angesehen
werden: seine volksliedhafte Lyrik, seine Ironie, aber auch der im Spätwerk
vorhandene Pessimismus (Romanzero, 1855), der die Ablehnung einer kleinbürgerlichen,
auf das Materielle fixierten Realität ausdrückte, sind in einem sehr
ursprünglichen Sinne romantisch.
Modern hingegen ist seine Prosa, die er vor allem in seinen Reisebildern (1826-1831)
entwickelte: mit feuilletonistischem Gestus und einem pointierten, polemischen
Stil entlarvte er die Mißstände der Restauration in Deutschland und
wurde dadurch zu einem gefürchteten Kritiker des politischen status quo.
In seinem Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) geißelte
er mit scharfer Satire den preußischen Militarismus und das kleinbürgerliche
Obrigkeitsdenken, in Atta Troll. Ein Sommernachtstraum (1843/47) verschonte
er auch nicht die dichterischen Schwächen und den politischen Dilettantismus
in der Tendenzlyrik vieler seiner Zeitgenossen.
Radikaler als Heine, ihm in seinem feuilletonistischen Ansatz und seiner intelligenten,
bissigen Art durchaus verwandt, aber ohne dessen poetische Qualitäten (allerdings
auch ohne diesbezügliche Ambitionen), war Ludwig Börne. Seine Briefe
aus Paris (1832-1834), aus der Stadt, wo er ab 1830 lebte (Heine ab 1831), gehören
ebenfalls zu den entscheidenden theoretischen Schriften für das Junge Deutschland,
obwohl auch er nicht zum engeren Kreis dieser Bewegung gerechnet wird. Neben
dieser als Zeitdokument immer noch wertvollen Rezeption der französischen
Julirevolution, aus der er die Notwendigkeit einer Umwälzung in Deutschland
ableitete, hinterließ Börne neben einigen Prosastücken in Jean
Pauls Manier eine Sammlung von Aphorismen.
Als 'Mitglieder' des Jungen Deutschland im engeren Sinne werden in den gängigen
Literaturgeschichten - mit geringen Abweichungen - sechs Autoren aufgeführt,
denen außer der politische Haltung noch eines gemeinsam ist: die nur sehr
eingeschränkte Bedeutung ihres literarischen Schaffens. Sei es, daß
sie überwiegend auf journalistischem, propagandistischem oder literaturkritischem
Terrain tätig waren, wie Theodor Mundt (Kritische Wälder, 1833) oder
Ludolf Wienbarg, durch dessen Ästhetische Feldzüge (1834), ein frühes
Manifest der littérature engagée, das Junge Deutschland ihren
Namen erhielt - sei es, daß das literarische Talent von der politischen
Intention erstickt oder ohnehin nur in geringem Maße vorhanden war: keines
ihrer dichterischen Erzeugnisse hat den Weg in den Kanon der klassischen Werke
der deutschen Literatur gefunden.
Und so bleiben (fast) nur die Namen: Karl Gutzkow, der mit dem Roman Wally,
die Zweiflerin (1835) durch freimütige Thematisierung von Sexualität
immerhin für Wirbel sorgte, Ernst Adolf Willkomm (mit dem durch seinen
Titel aktuell anmutenden Roman Die Europamüden, 1838), Heinrich Laube und
schließlich Georg Herwegh, vielleicht der radikalste der Gruppe, der mit
seinen Gedichten eines Lebendigen (1841-1843) den größten poetischen
Elan mitbrachte; von ihm stammt das Bundeslied des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins
mit den berühmten Zeilen: Mann der Arbeit, aufgewacht / Und erkenne deine
Macht! / Alle Räder stehen still, / Wenn dein starker Arm es will.
Im Zusammenhang mit dem Jungen Deutschland, wenn auch zeitlich etwa ein Jahrzehnt
später hervorgetreten, sind zwei weitere Lyriker zu sehen: Ferdinand Freiligrath
und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Ihr politisches Engagement trug
phrasenhaft-pathetische Züge, schwächte sich mit der Zeit ab und bekam
gefährlich nationalistische Töne, vor allem bei Freiligrath, der noch
zusammen mit Karl Marx die Neue rheinische Zeitung herausgegeben hatte und später
die Tapferkeit der Deutschen im Krieg gegen Frankreich besang. Hoffmann von
Fallersleben, der für den späteren Mißbrauch seines Lieds der
Deutschen nicht verantwortlich gemacht werden kann, ist nicht nur durch dieses
Gedicht zum Verfasser der noch heute nach absoluten Maßstäben bekanntesten
deutschsprachigen Texte geworden, zu denen Alle Vögel sind schon da, Ein
Männlein steht im Walde und Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald
gehören.
Ein Autor wurde noch nicht genannt, und zwar der wichtigste. Obwohl ihn sein
Lebenslauf durchaus als Jungdeutschen ausweisen könnte (Flucht aus dem
Großherzogtum Hessen nach Veröffentlichung seiner radikal-sozialistischen
Flugschrift Der Hessische Landbote im Jahr 1834, mit der Parole »Friede
den Hütten, Krieg den Palästen!«), hatte er keinerlei Verbindung
zu dieser Bewegung. Georg Büchner ist eine singuläre Erscheinung in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine Radikalität war nicht
nur auf das Politische beschränkt - Büchner war ebenso radikal in
der Auswahl seiner Ausdrucksmittel und in der konsequenten Durchdringung der
Lebenswirklichkeit. Seine Werke sind zugleich naturalistisch und symbolistisch,
psychoanalytisch und sozialkritisch, und dies auf eine derart moderne Weise,
daß es nicht verwundern darf, wenn es gut fünf Jahrzehnte dauerte,
bis man seine Bedeutung begriff.
Wenn dein starker Arm es will.
Lenz (Novelle, 1836): die unglaublich präzise Studie einer Psychose, mit
dem Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz als historischem Objekt.
Dantons Tod (Drama, 1835): die Perversion der Aufklärung durch Macht, aber
ebenso die Perversion der Seele, auch durch Macht. Leonce und Lena (Lustspiel,
1836): Poesie als praktische Sprachphilosophie, schwer verständlich. Woyzeck
(dramatisches Fragment, 1835): alles zusammen - die präzise, poetische
Darstellung der Zerstörung einer Seele durch die Mechanismen einer pervertierten
Gesellschaft.
Georg Büchner hat der deutschen Literatur völlig neue Wege gewiesen,
die zunächst allerdings kaum befolgt wurden. Seine illusionslosen Bilder
einer nicht nur entgötterten, sondern auch entmenschlichten Welt sind autonome
Poesie und soziale Anklage in einem - eine selten geglückte Verbindung,
die sich vielleicht erst in der Lyrik Paul Celans wiederfinden läßt.
Es ist kein Zufall, daß diesem 1959 die wichtigste literarische Auszeichnung
im deutschsprachigen Raum zuerkannt wurde: der Georg-Büchner-Preis.
Das Junge Deutschland und Vormärz
- Gruppe von Schriftstellern nach 1830 (hauptsächlich Heinrich Heine, Karl
Gutzkow, Heinrich Laube, Ludolf Wienbarg und Theodor Mundt)
- forderten politisches Engagement der Literatur, freie Meinungsäußerung
- Literatur als Träger weltverändernder Gedanken und rationalistischer
Kritik
- statt Äußerlichkeiten das politische Einwirken auf den Menschen
- 1835 Verbot der jungdeutschen Schriften
Liberales Bürgertum und Studenten reagierten anders als die Mehrheit des
Volkes auf die politischen Verhältnisse der Restaurationszeit. Während
sich auf der einen Seite Wirtschaft, Technik und Industrie rasant weiterentwickelten,
blieben das Bürgertum - und natürlich das sich langsam entwickelnde
Proletariat - von der Möglichkeit politischer Gestaltung ausgeschlossen.
Soziale Not und Unzufriedenheit mit der politischen Unterdrückung stiegen
im Lauf der Zeit immer weiter an; es kam vereinzelt zu Aufständen bzw.
politischen Aktionen (Hambacher Fest 1832) und schließlich 1848 - im Gefolge
der französischen Julirevolution 1830 - zur Märzrevolution, die in
den Hauptstädten fast aller deutschen Bundesstaaten zu Reformen (liberale
Verfassungen) und in Deutschland zur Wahl der Frankfurter Nationalversammlung
führte. In Wien kam es zum Sturz Metternichs.
Mit Vormärz verbindet man also fortschrittliche Tendenzen - etwa ab dem
Jahr 1815 - und eine Literatur mit liberalen, später sozialpolitischen,
teilweise radikaldemokratisch-kommunistischen Zielen. Unterteilt wird die Literatur
des Vormärz in Junges Deutschland (von ca. 1830 bis zum
Verbot dieser Schriften 1834 in Österreich, 1835 in Preußen) und
- nach einer unbenannten Zwischenphase - in den eigentlichen Vormärz, auch
politische Tendenzdichtung genannt.
Namensgebung Als Junges Deutschland wird eine lose Vereinigung von politisch
engagierten Schriftstellern bezeichnet, denen Ludolf Wienbarg den Namen gab:
"Dem jungen Deutschland, nicht dem alten widme ich diese Buch." Merkmale
und Strömungen des Jungen Deutschland Die Jungdeutschen und die Vertreter
des literarischen Vormärz hatten das gemeinsame Ziel, die Literatur zu
erneuern, das Recht auch der Frauen auf Bildung und Selbstständigkeit durchzusetzen.
Sie schrieben gegen die Zensur und für die Pressefreiheit, gegen die Willkür
der absoluten Herrscher und für das Recht auf Freiheit und Gleichheit der
Bürger, gegen die Kleinstaaterei und für eine demokratische Verfassung.
Sie traten für eine Trennung von Staat und Amtskirche ein.
Die bedeutendste Figur in diesem Kontext ist Heinrich Heine, der zwar nur bedingt
dem Jungen Deutschland zugeordnet werden kann, dessen führende Rolle jedoch
durch die Konsequenz seiner Haltung, die Originalität seiner Gedanken und
den ästhetischen Rang seiner Werke begründet ist. Heines Auseinandersetzung
mit der Romantik fand ihren Niederschlag in dem Buch "Die romantische Schule"
(1836), das zugleich zu einer der wichtigsten theoretischen Schriften des Jungen
Deutschland wurde, da es in ihr nicht um Literaturgeschichte ging, sondern um
eine Abrechnung mit den reaktionären Tendenzen der (Spät-)Romantiker.
Im Gegensatz zum abstrakten Idealismus der Burschenschaftler oder der Turnerbünde
("Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn, 1778-1852) entwickelte sich im
Jungen Deutschland eine Gruppe von Intellektuellen, die sich nicht mehr von
schönen Worten blenden ließ. Was sie wollte, war eine "Politisierung
der Literatur", bei der Formen wie die Satire oder die Zeitkritik im Vordergrund
standen. Nicht das Poetische, Erhabene, Romantische fand man entscheidend, sondern
das Hier und Jetzt, die konkrete Situation der Gegenwart, die jeden Tag zu einer
neuen Stellungnahme herausforderte.
Man verzichtete bei diesem Emanzipationsverlangen auf jedes "System",
um sich nicht von neuem "binden" zu müssen. Aus diesem Grunde
wichen die Jungdeutschen manchmal selbst in den wesentlichsten Punkten erheblich
voneinander ab. Doch das kümmerte sie wenig, da sie alle dem Prinzip der
ungezügelten Liberalität anhingen. Einig waren sie sich jedoch zumeist
in dem, was sie ablehnten: alles Bedrückende, Reaktionäre, das Wachstum
Hemmende, wofür sie das bürgerliche Mittelmaß oder das Metternich'sche
Regime verantwortlich machten.
Die meisten Vertreter dieser Bewegung betrachteten sich voller Stolz als öffentlich
wirksame Publizisten und nicht als weltfremde Literaten. Aus diesem Grunde schrieben
sie bewusst populär, um neben den Schöngeistern auch die Masse der
Leser zu erreichen. Neben lyrischen Texten, Romanen und Novellen erschienen
daher literarische Zweckformen wie Briefe, Reiseberichte, Memoiren, Flugblätter,
journalistische Texte und Feuilletons.
Am 10. Dezember 1835 wurden die gesamten Schriften des Jungen Deutschland durch
den deutschen Bundestag verboten, womit zum ersten Mal in der deutschen Geschichte
eine gesamte literarische Richtung von der Zensur betroffen war. Den jungen
Literaten wurde vorgeworfen, "die christliche Religion auf die frechste
Weise anzugreifen, die bestehenden sozialen Verhältnisse herabzuwürdigen
und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören". Das Verbot und die
damit verbundenen Repressionen bewirkten, dass viele jungdeutsche Autoren den
Glauben an Recht und Freiheit verloren und die gesellschaftspolitische Arbeit
beendeten.
Der Vormärz (1840 - 1848) - revolutionäre,
politisch engagierte Literatur, gegen den Absolutismus gerichtet, bis zum März
1848 (Märzrevolution) zunehmende Radikalität
Literarische Formen: - journalistische Prosa / - politische
Lyrik / - Roman des »Nebeneinanders« - viele Nebeneinander verlaufende
Handlungen
Vertreter
- Heinrich Heine (Buch der Lieder, Neue Gedichte, Gedicht Die schlesischen
Weber anläßlich des Weberaufstandes 1844, vierbändige Reisebilder
voller Zeitsatire, Spott und Witz)
- Christian Dietrich Grabbe (teilweise nihilistische Literatursatire
Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, von Napoleons Rückkehr von
Elba handelndes Drama Die hundert Tage)
- Georg Büchner (Trotz Gleichgesinnung Ablehnung des Jungen Deutschland,
Drama über die französische Revolution Dantons Tod, Märchendrama
Leonce und Lena, Erzählung Lenz (Über das Ende von Jakob Michael Reinhold
Lenz) und gesellschaftliches Drama Woyzeck (nach einer wahren Begebenheit) blieben
nur Fragmente)
- Ludwig Börne (Briefe aus Paris), Anastasius Grün (Lyrik
Spaziergänge eines Wiener Poeten), Georg Herwegh (Gedichte eines Lebendigen),
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Unpolitische Lieder, das Deutschlandlied),
Ferdinand Freiligrath (Ein Glaubensbekenntnis)
Karl Gutzkow (1811-1878): Er gründete 1831 das
"Forum der Journal-Literatur", ein Jahr später erschien anonym
sein erster Roman "Briefe eines Narren an eine Närrin". 1835
erregte sein Roman "Wally, die Zweiflerin" Aufsehen und brachte ihm
eine zweieinhalbmonatige Gefängnisstrafe ein. Wieder auf freiem Fuße,
heiratete er und gab die "Frankfurter Börsenzeitung" und den
"Frankfurter Telegraf" heraus. 1837 zog er nach Hamburg, wo er mit
seinen Stücken große Erfolge feiern konnte. Die Komödie "Zopf
und Schwert" war eine der meistgespielten seines Jahrhunderts. Im Jahre
1852 gründete er die Zeitschrift "Unterhaltungen am häuslichen
Herd".
Hauptwerke: "Wally, die Zweiflerin", "König Saul",
"Die Ritter vom Geiste", "Der Zauberer von Rom ", "Der
Gefangene von Metz".
Heinrich Laube (1806-1884): Redigierte 1833-1834 die
belletristische "Zeitung für die elegante Welt", die zum Sprachrohr
des "Jungen Deutschland" wurde. 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung;
Förderer Grillparzers; Intendant des Wiener Burgtheaters; 1871 Gründung
des Wiener Stadttheaters; verfasste auch historische Romane und Dramen.
Hauptwerke: "Das junge Europa" (1833-37), "Die Karlsschüler"
(1846), "Graf Struensee" (1847), "Die Bernsteinhexe" (1847).
Die jungdeutschen Autoren Gustav Kühne, Theodor Mundt und Ludorf Wienbarg
sind, anders als Gutzkow und Laube, heute der völligen Vergessenheit anheim
gefallen.
Vormärz im engeren Sinne Der gebildete, spätromantisch
gesonnene Friedrich Wilhelm IV., der 1840 den preußischen Thron bestieg,
erweckte zunächst Hoffnung auf größere Liberalität, die
er dann um so schlimmer enttäuschte. Zugleich waren die politischen Ansprüche
des erstarkten gehobenen Bürgertums gewachsen, während das verarmende
Kleinbürgertum und die Arbeiter unüberhörbar ihre sozialen Forderungen
anmeldeten. Teils radikalisierte sich die Opposition daher ab 1840 (Ferdinand
Freiligrath, Robert Eduard Prutz), teils traten neue entschlossene Gestalten
in den Vordergrund (Georg Herwegh, Georg Weerth). Die Linkshegelianer sowie
Karl Marx und Friedrich Engels begannen ihren philosophischen Angriff.
Strömungen und Tendenzen Die neue Opposition wollte nicht
mehr einzelne politische Institutionen, sondern die gesamte Gesellschaftsordnung
ändern, z.T. auch bald im sozialistischen Sinn, sie wollte nicht elegant
an der Zensur vorbeischreiben, sondern offen für die Revolution eintreten.
Man wollte nicht mehr unterhaltsamer Schriftsteller sein, nicht mehr von sich
selber reden, sondern parteilich und theoriebewusst agitieren. Die Religionskritik
verschärfte sich, sie enthielt jetzt eine praktische, gegen das Bündnis
von Thron und Altar gerichtete Spitze. So entstanden revolutionäre Aufrufe,
häufig in Liedform, politisch - philosophische Abhandlungen sowie Satiren
auf den opportunistischen, unterwürfigen "deutschen Michel".
Autoren und Werke
Georg Herwegh (1817-1884): Seine "Lieder eines
Lebendigen" (in zwei Bänden 1841 und 1843 in Zürich erschienen)
hatten einen großen Erfolg beim Lesepublikum.
Ferdinand Freiligrath (1810-1876): Er sprach mit seiner
Dichtung besonders die Jugend an, die aus den Grenzen des deutschen Polizeistaates
in die Freiheit der Welt drängte. Zusammen mit Emanuel Geibel erhielt Freiligrath
vom Preußenkönig einen jährlichen Ehrensold von 300 Talern,
der ihm die Existenzgrundlage bieten sollte. Nach schweren Bedenken lehnte Freiligrath
die Ehrengabe ab, da er sich von der "preußischen Reaktion nicht
bestechen" lassen wollte. Kurze Zeit später (1844) erschien als politisches
Manifest der demokratischen Opposition sein Buch "Mein Glaubensbekenntnis".
Der darin geäußerte Radikalismus zerschlug ihm die Hoffnung auf eine
Lebensstellung, die ihm in Weimar angeboten worden war, und zwang ihn zu einem
unsteten Wanderleben im Ausland. Er emigrierte zunächst nach Brüssel,
wo er sich mit Karl Marx befreundete und zusammen mit diesem 1849-1851 die "Neue
Rheinische Zeitung" herausgab. Den Unterhalt für sich und seine Familie
verdiente Freiligrath als kaufmännischer Angestellter ab 1851 in London.
1868 erfolgte die endgültige Rückkehr nach Deutschland. Eine "Volksspende"
von 60000 Talern war der Dank der Nation an den opferbereiten Patrioten.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874):
enthusiastischer Patriot und literarischer Verfechter der Ideen von 1848; kämpfte
gegen die Verfassungsverweigerung König Wilhelms IV. von Preußen.
Bekannt als Dichter des Deutschlandliedes. Er förderte zunächst als
Bibliothekar, später als Professor an der Universität Breslau das
schlesische Geistesleben durch eine "Monatsschrift von und für Schlesien"
und durch die Herausgabe schlesischer Volkslieder. Als Literaturhistoriker erwarb
Hoffmann sich große Verdienste durch die Auffindung und Erforschung altniederländischer
Literaturdenkmäler und durch eine "Geschichte des deutschen Kirchenliedes
bis auf Luthers Zeit". Daneben veröffentlichte er selbst Kirchen-,
Gesellschafts-, Liebes- und Kinderlieder. Im Geiste der Burschenschaft gab er
1840 und 1841 seine "Unpolitischen Lieder" heraus, die in Wahrheit
hochpolitisch waren und in denen er für eine deutsche Einheit und demokratische
Volksrechte eintrat. Er wusste, dass er damit seine Professur aufs Spiel setzte,
und diese wurde ihm auch tatsächlich 1842 genommen. Daraufhin führte
er ein Wanderleben, bis der Herzog von Radbor dem Zweiundsechzigjährigen
eine Sinekure als Bibliothekar auf Schloss Corvey an der Weser gab.