Aus dem Nachlass

Wer sich selbst und andre kennt

Wer sich selbst und andre kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.

Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen, lass' ich gelten;
Also zwischen Ost und Westen
Sich bewegen sei zum Besten!

Hafis, dir sich gleich zu stellen

Hafis, dir sich gleich zu stellen,
Welch ein Wahn!
Rauscht doch wohl auf Meeres Wellen
Rasch ein Schiff hinan,
Fühlet seine Segel schwellen,
Wandelt kühn und stolz;
Will's der Ozean zerschellen,
Schwimmt es, morsches Holz.
Dir in Liedern, leichten, schnellen,
Wallet kühle Flut,
Siedet auf zu Feuerwellen;
Mich verschlingt die Glut.
Doch mir will ein Dünkel schwellen,
Der mir Kühnheit gibt.
Hab' doch auch im sonnenhellen
Land gelebt, geliebt!

 

Mich nach- und umzubilden, mißzubilden

Mich nach- und umzubilden, mißzubilden
Versuchen sie seit vollen funfzig Jahren;
Ich dächte doch, da konntest du erfahren,
Was an dir sei in Vaterlandsgefilden.
Du hast getollt zu deiner Zeit mit wilden
Dämonisch genialen jungen Scharen,
Dann sachte schlossest du von Jahr zu Jahren
Dich näher an die Weisen, Göttlich-Milden.

Sollt' ich nicht ein Gleichnis brauchen

Sollt' ich nicht ein Gleichnis brauchen
Wie es mir beliebt?
Da uns Gott des Lebens Gleichnis
In der Mücke gibt.

Sollt' ich nicht ein Gleichnis brauchen,
Wie es mir beliebt?
Da mir Gott in Liebchens Augen
Sich im Gleichnis gibt.

 

Süßes Kind, die Perlenreihen

Süßes Kind, die Perlenreihen,
Wie ich irgend nur vermochte,
Wollte traulich dir verleihen,
Als der Liebe Lampendochte.

Und nun kommst du, hast ein Zeichen
Drangehängt, das unter allen
Den Abraxas seinesgleichen
Mir am schlechtsten will gefallen.

Diese ganz moderne Narrheit
Magst du mir nach Schiras bringen!
Soll ich wohl in seiner Starrheit
Hölzchen quer auf Hölzchen singen?

Abraham, den Herrn der Sterne,
Hat er sich zum Ahn erlesen;
Moses ist in wüster Ferne
Durch den einen groß gewesen.

David, auch durch viel Gebrechen,
Ja Verbrechen durch gewandelt,
Wußte doch sich loszusprechen:
"Einem hab' ich recht gehandelt."

Jesus fühlte rein und dachte
Nur den einen Gott im stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte,
Kränkte seinen heil'gen Willen.

Und so muß das Rechte scheinen,
Was auch Mahomet gelungen;
Nur durch den Begriff des einen
Hat er alle Welt bezwungen.

Wenn du aber dennoch Huld'gung
Diesem leid'gen Ding verlangest,
Diene mir es zur Entschuld'gung,
Daß du nicht alleine prangest. -

Doch allein! - Da viele Frauen
Salomonis ihn verkehrten,
Götter betend anzuschauen,
Wie die Närrinnen verehrten.

Isis' Horn, Anubis' Rachen
Boten sie dem Judenstolze,
Mir willst du zum Gotte machen
Solch ein Jammerbild am Holze!

Und ich will nicht besser scheinen,
Als es sich mit mir eräugnet,
Salomo verschwur den seinen,
Meinen Gott hab' ich verleugnet.

Laß die Renegatenbürde
Mich in diesem Kuß verschmerzen:
Denn ein Vitzliputzli würde
Talisman an deinem Herzen.
Laßt mich weinen! umschränkt von Nacht
In unendlicher Wüste.
Kamele ruhn, die Treiber desgleichen,
Rechnend still wacht der Armenier;
Ich aber, neben ihm, berechne die Meilen,
Die mich von Suleika trennen, wiederhole
Die wegeverlängernden ärgerlichen Krümmungen.
Laßt mich weinen! das ist keine Schande.
Weinende Männer sind gut.
Weinte doch Achill um seine Briseis !
Xerxes beweinte das unerschlagene Heer,
Über den selbstgemordeten Liebling
Alexander weinte.
Laßt mich weinen! Tränen beleben den Staub.
Schon grunelt's.

 

Und warum sendet

Und warum sendet
Der Reiterhauptmann
Nicht seine Boten
Von Tag zu Tage ?
Hat er doch Pferde,
Versteht die Schrift.


Er schreibt ja Talik,
Auch Neski weiß er
Zierlich zu schreiben
Auf Seidenblätter.
An seiner Stelle
Sei mir die Schrift.

Die Kranke will nicht,
Will nicht genesen
Vom süßen Leiden,
Sie, an der Kunde
Von ihrem Liebsten
Gesundend, krankt.

Nicht mehr auf Seidenblatt

 

Nicht mehr auf Seidenblatt
Schreib' ich symmetrische Reime;
Nicht mehr fass' ich sie
In goldne Ranken;
Dem Staub, dem beweglichen, eingezeichnet
Überweht sie der Wind, aber die Kraft besteht,
Bis zum Mittelpunkt der Erde
Dem Boden angebannt.
Und der Wandrer wird kommen,
Der Liebende. Betritt er
Diese Stelle, ihm zuckt's
Durch alle Glieder.
"Hier! vor mir liebte der Liebende.
War es Medschnun, der zarte?
Ferhad, der kräftige? Dschemil, der daurende?
Oder von jenen tausend
Glücklich-Unglücklichen einer?
Er liebte! Ich liebe wie er,
Ich ahnd' ihn!"

Suleika, du aber ruhst
Auf dem zarten Polster,
Das ich dir bereitet und geschmückt.
Auch dir zuckt's aufweckend durch die Glieder.
"Er ist, der mich ruft, Hatem.
Auch ich rufe dir, o Hatem! Hatem!"